
Liebes Team von XXX Augenoptik,
ich muss Ihnen diesen Brief schrieben, da ich Ihnen zu großem Dank verpflichtet bin.
Es gab in den 19 Jahren Ehe mit meinem Mann keinen Grund, dass dieser unter Tränen am Abend unser Schlafzimmer betrat, und doch trug es sich vor vier Wochen genau so zu.
Völlig verstört und mit langsamen Schritten kam er aus dem Bad und sah dabei so seltsam traurig aus, dass ich mich sogleich aufgeregt im Bett aufsetzte und mein Buch zur Seite legte. „Was ist denn los?“ fragte ich und merkte im selben Moment, dass ich mir die Frage hätte sparen können.
Denn in seinen Händen hielt er seine Brille hoch, die in der Mitte durchgebrochen war. Für Sie als Brillenfachgeschäft mag das nicht weiter schlimm sein, es ist ja ihr täglich Brot. Für uns allerdings war es eine kleine Tragödie, denn diese Brille, die nun nur noch aus zwei Gläsern bestand, gehört seit 35 Jahren zum Leben meines Mannes und somit auch mir. Fünfunddreißig Jahre, können Sie sich die Trauer dahinter vorstellen?
Dazu muss ich sagen, dass mein Mann Kontaktlinsenträger ist und diese – nun kaputte – Brille am Tag stets nur zweimal trug: Einmal nach dem Aufstehen, um sich im Bad die Linsen in die Augen zu bringen und abends dann das gleiche, um ohne die „Kontaktis“ den Weg aus dem Bad heraus ins Schlafgemach zu finden. „35 Jahre“ jammerte er, der sonst niemals jammert nun und ich konnte ihn so gut verstehen. Man hängt halt an den Dingen. Und bei – 4 Dioptrin ist es nicht nur die Trauer, die einen da überwältigt, sondern auch die Frage, wie man nun sehenden Fußes den Tag organisieren soll.
Zum Glück hat er ja mich. Und Sie! Sie und ich, wir haben da Hand in Hand gearbeitet, ohne dass Sie das wissen. Deswegen dieser dankbare Brief. 😉
Zunächst stellte die Tatsache, dass ich selbst Brillenträgerin bin, eine gute Basis dar. Ich hüpfte sofort aus dem Bett, rannte ins Bad, holte meine Ersatzbrille aus dem Schrank, entstaubte selbige und übergab sie meinem Mann. Ein kleines bisschen Erleichterung huschte über sein Gesicht. Traurig war er dennoch.
Wie heitert man seinen Mann abends im Bett auf, wenn dieser so erschüttert dreinblickt? Genau! Man macht es wie ich und erzählt ihm von einem tollen Plan. „Wir gehen morgen einfach in die Stadt zu Augenoptik XXX, dort wird dir/uns ganz schnell geholfen!“ Das war tatsächlich der Moment, in dem seine Mundwinkel leicht zuckten, um sich anschließend zu einem großen Lächeln zu entwickeln.
Denn aus meinen Erfahrungen mit Ihrer Firma wußte er, dass es nun tatsächlich kein Problem mehr geben würde, und zufrieden schlummerte er ein.
Das tatsächliche Problem zeigte sich am nächsten Morgen. Denn zum einen habe ich „nur“ eine Dioptrinstärke von – 1,25 und – 1,75, zum anderen war mein Brillenersatzmodell ein rahmenloses, für Frauengesichter entwickeltes Gestell. Mein Mann trug zuvor 35 Jahre lang dieses „Peter-Lustig-Gedächtnisexemplar“, also eine Brille mit großen runden Gläsern.
Sie verstehen das Problem? Mein Mann konnte nun zwar ein bisschen besser gucken. Allerdings war er diese kleinen, schmalen Gläser nicht gewohnt, die sich, anders als bei seinem alten Modell, nur auf das mindeste beschränkten. Statt runde Marmeladengläserdeckel nur ein Sichtschlitz. Alles andere um ihn herum war verschwommen. Beim Gehen stakste er wie ein Storch durch den Salat. Es hatte auch sein Gutes: Wenn ich nun statt Ostereier seine Kontaktlinsen verstecken würde, könnte ich die bunten Eier einfach auf den Tisch legen. Er würde sie nicht zu fassen kriegen.
Wie immer, wenn man sich über etwas lustig macht, ist das Karma nicht weit entfernt. Ich, die ihm so großzügig meine Ersatzbrille überlassen hatte, hatte gut reden. Aber Moment… Zuerst fuhren wir tags darauf tatsächlich in eine Ihrer Filialen. Mein Mann war noch tief getroffen davon, seine alte Brille verabschieden zu müssen und brachte vor Schock kein Wort heraus, als wir am Tisch Ihres Geschäftes Platz nahmen, weswegen ich das Reden übernahm. Zuvor hatte er mir noch gestanden, dass seine Sorge auch darin bestand, dieses schöne Gestell nicht mehr bekommen zu können. Er wollte nicht aussehen wie ein Hipster. Naja, mit meinem Ersatz sah er aus wie die Vorsitzende eines Häkelvereins. Lirum Larum…Statt Durchsicht trug er Trauer.
Trotzig saß er da am Tisch und wollte keinen erneuten Sehtest. „Er ist sonst nicht so“, flüsterte ich einer Ihrer Verkäuferinnen zu und erklärte das Problem hinter der kaputten Brille. „Oh“ raunte sie, zwinkerte mir zu und bat meinen Liebsten, mit ihr zu kommen. Wir konnten gar nicht so schnell schauen, da hatte sie ein sehr ähnliches Exemplar seiner alten Sehhilfe aus dem Regal genommen und hielt es ihm zum Anprobieren hin. Zwei Modelle probierte er und schon hatte er sich entschieden. Zack. Bumm. Fertig in weniger als fünf Minuten. Wir gut, dass Retro gerade IN ist und sich deswegen viele Menschen Brillen aussuchen, die aussehen wie vor 35 Jahren! Ca. 14 Tage würde die Bearbeitung dauern, sagte die Verkäuferin. Das würden wir jetzt auch noch schaffen.
Und nun kommt das Karma ins Spiel: Die Brillenbestellung und Auftraggabe war gerade acht Tage her, da fragte ich meinen Mann, ob er glaube, dass ich einen Purzelbaum auf unserem heimischen Sofa hinbekommen würde. „Nö“ sagte er uns grinste erwartungsvoll. „Klaro, ich zeig´es dir!“ rief ich und schwang meinen Körper herum, bis es knackste.
„Oooohje, deine Wirbelsäule?“ rief er, nachdem es dieses komische Geräusch ergab. „Neee, meine Brille“, sagte ich zerknirscht und hielt die Luft an. Ich, die die Sehhilfe ja nur zum Auto fahren und Fernsehen schauen brauche, hatte diese natürlich auch nicht auf, als ich den Purzelbaum machte. Sie lag selig schlummernd auf dem Sofa, auf dem ich gerade im Überschwang meine Turnübungen darbot.
Ich wollte gar nicht hinsehen. Nun wäre sie hin, meine geliebte Brille.
„An beiden Bügeln gebrochen“, stellte mein Mann nach einer intensiven Begutachtung fest. „Aber weißt du was, dann kommst du einfach nächste Woche mit, wenn ich meine Neue abhole!“ sagte er und ergänzte: „Das wird schon wieder.“
Die nächsten Tage teilten wir uns, im Leid vereint, meine Ersatzbrille. Wir hegten und pflegten sie. Der Vorrat an Brillenputztüchern schwand schneller als sonst. An Tag 10 dann endlich die erlösende Nachricht Ihrer Firma: Die Brille meines Mannes wäre fertig. Jippieh! Meine kaputte Alltagsbrille trug ich per Hand ins Auto, statt sie in meine Tasche zu packen. Nicht noch mehr zerstören war meine Devise.
In Ihrem Geschäft angekommen, legte mein Mann den Bestell- und Abholzettel auf den Tresen. Weil mir die ganze Geschichte um meine – nun auch kaputte – Brille so peinlich war, brachte ich kein Wort heraus. Daher übernahm mein Mann das Reden und erläuterte, was das Problem war. Wir nahmen schließlich an einem der Tische Platz, wo meinem Mann sein neues Exemplar angepasst wurde. Es passte, wackelte nicht und sah fast aus wie seine Alte (Brille). 😉 So wollte er das haben. Ich freute mich mit ihm und konnte dennoch nichts sagen, als der freundliche Verkäufer sagte, er würde sich nun meinem Problem widmen. Wie peinlich mir das alles doch war…! Doch mein Mann regelte das alles. Der nette Verkäufer sagte, er würde versuchen, die Bruchstelle wieder hinzubekommen. Ob wir ihm dafür bitte fünf Minuten entschuldigen könnten? „Von mir aus können Sie sich eine ganze Stunde dafür Zeit nehmen“, rief ich, die endlich ihre Sprache wiedergefunden hatte, ihm hinterher. Denn damit, dass ich meine Brille in ihrer alten Form tatsächlich repariert wieder bekommen würde, hätte ich niemals gerechnet.
Zehn Minuten später erschien der Mitarbeiter erneut in unserem Sichtfeld. Er legte die Brille, meine Brille (juchuuuh) in ein Ultraschallgerät, um sie zu säubern, erneuerte die Nasenzwickel, passte sie mir an, und als ich ihn daraufhin anstrahlte, als hätte ich gerade den Messias erblickt, fragte er mich, ob alles mit mir in Ordnung sei. Hahaha, der arme Mann.
Er war sicherlich überfordert mit der ganzen Freude, die ihm da von uns entgegenschlug. Mein Mann hatte endlich wieder eine Brille und meine wurde kurzerhand repariert, ohne Nachfragen zu stellen, wie es dazu gekommen war. Auf der Rechnung konnten wir sehen, dass er für meine Reparatur keine Kosten aufgestellt hatte. Wir sind vom ganzen Service Ihrer Firma noch ganz „geflasht“, wie es Hipster wohl sagen würden.
Vielen Dank für alles. Wir hoffen, nicht so schnell wieder kommen zu müssen. Auch zum Schutz Ihrer Mitarbeiter*innen, denen wir alles Gute wünschen, um den Vorfall mit uns schnell vergessen zu können. Hihi!
Herzliche Grüße
S. Wachowski