Wunderbare Eigenheiten

Wie ihr wisst, hatte ich mir mal eine Goldmaske für das Gesicht gekauft, die ich auch nach einer Viertelstunde des Einwirkens nicht mehr von der Haut bekam. Wie ein Bankräuber mit Nylonstrumpfhose über dem Gesicht sah ich aus. Selbiges war zu keiner Mimik mehr fähig. Ralf sah mich vergnügt belustigt an und machte Späße, über die ich mich kringelig hätte lachen können. Ging aber nicht, wegen der Maske, die wie ein Spanngurt über meinem Gesicht lag. Nach dem Abwaschen der angeblich so pflegenden Maske, für dessen Prozedur ich einen Stahlschwamm brauchte, sah ich im Gesicht aus wie ein Sahnekuchen mit geplatzen Kirschen.

Und nun frage ich euch: Was ist nur mit den Menschen los, die sich freiwillig Botox ins Gesicht spritzen lassen? Für mich sehen die alle aus wie Fische, die aus dem Wasser heraus ans Land geschwemmt wurden. Victoria Beckham zum Beispiel sieht immer ein bisschen aus wie ein Karpfen, der nach Luft schnappt. Dabei hat die, glaube ich, noch nicht mal Botox in der Stirn. Aber ihr kennt ja sicherlich andere Promis, die sich diesem Trend unterzogen haben und nun nicht mehr lachen können, weil das Gesicht da nicht mehr mitspielt. Und das ist schön?

Ich will und darf den Stab nicht über Menschen brechen, die sich operieren lassen. Nach Krankheit oder Unfall oder auch nach einer großen Gewichtsabnahme scheint diese Option für einige Menschen sehr wichtig zu sein und ich verstehe das gut.Wovon ich rede ist die Tatsache, dass sich einst schöne Menschen unter’s Messer legen und danach aussehen wie Hilfsbremser aus der Geisterbahn. Warum nur, warum?

„Es kommt auf die inneren Werte an“ scheint ein Satz zu sein, der zur Floskel verkommt. Als ich jünger war, habe ich mich auch nicht als megaschön empfunden und das tue ich auch heute nicht. Als einzige Naturrothaarige im Dorf (neben meiner Mutter) wollte ich eben nicht die einzige sein, ich wollte sein wie die anderen! Als Haartönungen für den Hausgebrauch erwerblich wurden, war ich die Erste, die eine Packung „Poly Color“ mit der Farbnummer „Haselnussbraun“ aus dem Regal riss und sich im heimischen Badezimmer einer Verwandelung unterzog. Die Reaktionen meiner Mitmenschen verblüfften mich. Ich bekam so viele Komplimente, dass ich im nächsten Schritt auf der Farbtabelle der auswaschbaren Haartönungen einen Schritt weiterging und „Dunkelschwarz“ auswählte. Was folgte, war nicht nur eine Gardinenpredigt vom Feinsten, sondern auch ein gewaltiges Donnerwetter. Ich wusste selbst, dass das falsch war. Mit einer so hellen Haut und tiefschwarzen Haaren hätte mich sogar Schneewittchen ausgelacht. Wenn mir jemand sagte, dass ihm meine blaugrünen Augen gefielen, sagte ich sofort: „Ach und die Haare nicht, oder wie?“, so angepiekst war ich. Es brauchte einen sehr heißen Sommer und die Betreiber der italienischen Eisdiele in unserem Dorf, um mich mit mir selbst anzufreunden. Denn immer, wenn ich dort ein Eis holte, sprachen mich die Angestellten auf meine Haare und deren Farbe an, die sie priesen, als sei ich etwas ganz Besonderes. In diesem Sommer nahm ich zwar ein bisschen an Gewicht zu, weil ich mir ständig ein Eis mit einer Extraportion Lob geben ließ, aber es ging mir gut. Ich hatte ja jetzt die Haare (natürlich rot) schön.

Dieser ganze Schönheitswahn, den uns Medien und A- bis Z-Promis vorleben wollen, nervt mich. Weil ich es sehr schlimm finde, wie manche Menschen sich äußerlich so verunstalten. So sehr, dass von ihrer Schönheit nichts mehr übrig bleibt. Sie hatten vorher keinen Makel, sie haben ihn jetzt!

Vor Jahren gab es mal eine Partnervermittlungswerbung, in der es hieß: „Was du an dir nicht schön findest, liebt ein anderer.“ Ich erinnere mich nicht mehr, welche Agentur das war. Aber den Slogan fand ich genial, denn ich kenne viele Menschen, deren Aussehen ich irre schön finde, während sie selbst das nicht so sehen. Und wer erinnert sich nicht an die Schauspielerin Jennifer Grey aus Dirty Dancing? Ich fand: Diese Nase war ihre Nase. Alles an ihr war so stimmig. Und was tat sie? Ließ sich eben diese umoperieren und bekam danach keine Filmrollen mehr.

Schönheit hört für mich auf, schön zu sein, wo falsche Fingernägel, aufgepumpte Busen, künstliche Haarverlängerungen, Solariumsbräune, aufgespritzte Lippen, aufgeklebte Wimpern und gebotoxte Gesichter nur noch eine Maske darstellen. Darüber darf ich lachen, denn das ist selbstgemachte Show dieser Personen. Und dennoch tut es mir leid für sie, denn sie scheinen sich nur so gut zu fühlen in einer Welt, in der sie nur kurze Zeit eine Rolle spielen.

Aktuell sehe ich den Ballermannsänger Michael Wendler selbstverliebt in die Kameras blicken und höre kein Wort von dem, was er sagt, weil ich stets denke: „Was ist denn nur mit seinem Bart los? Ist der aufgemalt? Oder hat Zuckerstreusel in blau-schwarzer Farbe getränkt und sich anschließend ums Maul geschmiert?“ Entschuldigt diese harte Wortwahl, aber für mich sieht das wirklich aus, als hätte er sich wie ein Fünfjähriger mit dem Edding einen Bartwuchs ins Gesicht gemalt. Oder eben sein Kinn in gefärbten Liebesperlen gewälzt. Letzters würde zumindest erklären, warum eine 18-jährige ihn anhimmelt. Liebesperlen in Fläschchen mit Gumminippelverschluss fand ich auch immer lecker, als ich noch jung war.

Ist das wirklich alles so schön? Neulich sah ich im Fensehen eine junge Frau mit Haaren, die ich einfach nur toll fand. Naturlocken hatte sie und diese sprangen bei jeder ihrer Bewegungen wie kleine Spirellinudeln mit Sprungfedern auf und ab. Ich habe auch Naturlocken, aber leider nicht solche. Da springt nichts und wenn ich sie ohne Mühe trocken föne, muss ich immer daran denken, dass die Pracht auf meinem Kopf aussieht wie kleine Wollmäuse, die gerne unter dem Bett verweilen. Wie gerne hätte ich diese Naturlocken mal nicht mit dem Glätteisen ausgebügelt? Als ich meine Haare einmal ganz selbstbewußt lufttrocknen ließ und so ins Büro ging, fragte mich ein Kollege, ob ich verschlafen habe. „Wie kommst du darauf, es ist 7:30 Uhr und ich bin pünktlich da?“ fragte ich ihn. Als Antwort zeigte er auf meinen Schopf, weswegen ich meinen Fön und das Glätteisen wieder aus der untersten Schublade nach oben holte.

Heute erschien im Magazin Stern ein Interview mit Charlotte Würdig. Sie hat sich auch botoxen lassen und sieht nun aus, als hätte sie eine Beißschiene im Mund. Wenn ich ihre Freundin wäre, hätte ich ihr ungeschont gesagt, wie schrecklich ich das finde. Vorher hätte ich vermutlich gefragt, ob sie sich hat operieren lassen oder ob der Zahnarzt in ihrem Oberkiefer was vergessen hatte rauszunehmen. Tamponagen zum Beispiel.

Und wo ich gerade an den Mund denke: Was it nur mit den Leuten los, die immer ein Duckface machen müssen, sobald sie ein Selfie von sich veröffentlichen? Nein, dass sieht nicht megacool aus. Im Gegenteil. Diese Menschen sehen für mich stets so aus, als wären sie Fünfjährige, die trotzig sind, weil Muddi ihnen kein Eis gekauft hat. Beleidigte Entenschnuten.

Wenn also die A- bis Z-Promis sich die Lippen zum Karpfenmaul aufspritzen lassen, oder aussehen als ob zwei Nacktschnecken ihre früher natürlichen Augenbrauen ersetzen, wenn sie nach dem hundertsten Besuch im Solarium im Gesicht aussehen wie die alte Ledertasche meines Klassenlehrers und ihr Extensionshaar wie Spaghetti runterhängt, ihr Gesicht keine Regung mehr zeigen kann und sie zum Schlafen ihr Gesicht mit einer Maske und Gummiband zusammenpressen müssen, damit die Augenlider sich im Schlaf nicht aus Versehen öffnen, dann… ja, dann denke ich:

„Schade, dass dir niemals jemand gesagt hast, dass du schön bist, wie du bist.“ ❤

Herzliche Grüße von der rothaarigen Wollmäusefrau mit Muttermal am Arm, komischen Knien und ’ner saftigen Macke im Kopf ❤

4 Kommentare zu „Wunderbare Eigenheiten

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