Was man in Dänemark nicht darf (sagt mein Mann)

Eine Anreise nach Fanø kann mitunter ziemlich anstrengend sein, wie ich finde. Die Autobahn stresst mich. Obwohl ich selbst nicht am Steuer sitze, bin ich als Beifahrerin hellwach, bremse mit (obwohl sich auf meiner Seite kein Bremspedal befindet), schaue in „meinen“ Rückspiegel, wenn Ralf zum Überholen ansetzt, und sage Sätze wie: „Pass bloß auf, der rote Golf da vorne ist vorhin schon mal auffällig geworden!“

Und wer jetzt denkt: „Wäre sie mal lieber Fahrlehrerin geworden“, der irrt. Zwar habe ich selbst einen Führerschein und keine Angst, alles zu lenken, was ich damit lenken darf, allerdings ist Ralf der Meinung, ich solle nicht fahren. Er ist kein Chauvi, sondern eher um meine Gesundheit bemüht. Wenn ich am Steuer sitze, wird die Straße zum Bauernhof. Ochsen, Kühe (blöde Kühe), Rinder, lahme Enten und anderes Getier wird von mir ausnahmslos kommentiert.

Mein erstes Gefährt im Alter von drei Jahren war ein grünes Bobbycar und ich hupte mir alles aus dem Weg, wenn ich damit die Straßen des Ortes, in dem ich aufwuchs, unsicher machte… Später, als ich fünf Jahre alt wurde, bekam ich ein Kettcar und von Ralfs Eltern eine Dreihornhupe. Beste Ausrüstung für ein Kind, welches später mal die Straßen befahren würde, oder?
Es ist also besser für uns beide, wenn ich auf der Autobahn nicht selbst fahre. Inzwischen bin ich dank Blutdrucksenkern ein wenig entspannter, was die Anreise nach Fanø angeht und so kam es, dass mir während der Fahrt langweilig wurde…

Schlafen kann ich nun als Beifahrerin während einer Autofahrt zwar immer noch nicht, aber ein Buch lesen, meinen „Bremsfuß“ entspannt ausstrecken, meine Nägel lackieren und mich in einer Art, die jede Akrobatin neidisch machen würde, nach hinten schlängeln, um zu schauen, welche Leckereien in der Kühlbox darauf warten, von mir vernascht zu werden. Doch irgendwann war das Buch ausgelesen, der Nagellack trocken und aus der Haribo-Weingummitüte hatte ich alles, was ich mag, bereits heraus gepickt. Da kam es mir sehr gelegen, dass wir die Grenze zu Dänemark erreicht hatten. Doch was war das? Statt wie sonst einfach durchzufahren, gab es nun Grenzkontrollen.

Ich war bis dato noch nie ausserhalb der Schengener Abkommen-Länder verreist und fand das alles äußerst aufregend, weswegen ich sogleich mein Handy, zückte um unsere Einreise filmisch zu begleiten. „Lass das mal“, sagte Ralf und drückte meine Hand mit dem Handy sanft herunter. „Ich glaub‘, die mögen das nicht so“, erklärte er sein Handeln. „Oh ja, die sehen auch alle nicht glücklich aus“, sagte ich und dachte fieberhaft nach, wie man den Grenzpolizisten, die so mürrisch dreinblickten, eine Freude machen könnte. Da kam mir meine Haribotüte wieder in den Sinn. Vielleicht würden sie sich über all das, was ich nicht mag, ja freuen können? Ich schlängelte mich wieder Richtung Rücksitz, holte die Tüte hervor und… bekam von meinem Mann, der mich nach über 19 Jahren Ehe scheinbar bestens kennt, erneut ein Verbot ausgesprochen. „Was denkst du denn, was ich machen will?“ fragte ich pikiert. „Ich kenn‘ dich doch, du willst den Grenzbeamten nun die Reste aus deiner Weingummitüte schenken“, antwortete er schmunzelnd. „Lass das.“ Und weil er mich sooo gut kennt, schob er noch ein „bitte“ hinterher.

Später, als wir in Esbjerg ankamen, staunte ich nicht schlecht. Die Stadt war bunt geschmückt, am Fahrbahnrand standen unglaublich viele Leute, die uns (?) zujubelten und bunte Fähnchen schwangen. „Na, das ist ja mal ein toller Empfang“, sagte ich zu Ralf. Dieser griff schnell nach der halbleeren Haribotüte, um sie vor mir zu verstecken.

Als wir an einer roten Ampel halten mussten, hörten wir plözlich ein Geräusch, welches wir zunächst nicht zuordnen konnten. Es summte. Dieses Summen wurde immer lauter, und gerade, als ich das Autofenster öffnen wollte, um sehen zu können, woher das Geräusch kam, rauschte etwas sehr Schnelles an uns vorbei. Die Menge jubelte euphorisch, während wir das Ganze nicht einordnen konnten. Was war da passiert? War man hier immer so freundlich zu den Touristen? Ich lehnte mich entspannt zurück und dachte darüber nach, welche Geschenke ich diesem tollen Volk machen könnte, die mich behandelten, als wäre ich ein promintenter Gast. Lakritz hatten sie in diesem Land wohl selbst genug und eine angebrochene Flasche Nagellack wäre wohl auch nicht das Richtige. Während ich noch hin und her überlegte, summte es erneut und schon wieder brach frenetischer Beifall aus.

Im Endeffekt war es ein professionelles Radrennen, was da stattfand und ich fand meine Idee, den teilnehmenden Fahrer*innen eine Wasserflasche aus dem Fenster zuzuwerfen, äußerst genial. Da hatte Ralf allerdings schon die Sperre für mein Fenster betätigt.

Das war also eines von vielen Dingen, die man/ich in Dänemark nicht darf. Und was ich darf, dass will ich nicht! Wie zum Beispiel ein Fahrrad ausleihen. Ich fahre gerne Rad und liebe es, damit so wunderbar unabhängig zu sein. Als wir unsere Fahrräder noch nicht huckepack auf dem Gepäckträger des Autos mitnahmen, haben wir uns auf der schönen Insel einen Verleih gesucht, um Räder für die Woche unseres Aufenthaltes zu mieten. „Schau mal, da drüben gibt es Räder zum Ausleihen“, sagte Ralf und zeigte mit ausgestrecktem Arm hinüber zur anderen Straßenseite. Dort stand ein Einheimischer und zog genüßlich an einer Meerschaumpfeife, während er auf Kundschaft wartete. Begeistert wollte ich so schnell wie möglich zu ihm auf die andere Straßenseite. Ein Rad ausleihen, juchuh.

Doch ich bremste meinen federnden Gang just in dem Moment ab, als ich das Schild entdeckte, welches auf dem Hof des Radvermieters stand. Meine Dänischkenntnisse waren damals noch, gelinde ausgedrückt, sehr bescheiden. Auf dem Schild stand irgendetwas Dänisches geschrieben und darunter war mit Kreide eine Zahl aufgemalt. 220 dänische Kronen pro Kilo sollte es kosten. Den Umrechnungskurs kann ich als Mathe-Ass ja sowieso nie und so kam es, dass ich das alles viel zu teuer fand. Ich würde Ralf sagen, dass ich hier kein Rad ausleihen wolle. Doch wo war er? Links von mir war er nicht und rechts von mir auch nicht.

Er stand bereits auf der anderen Straßenseite beim Fahrradhändler und winkte mir fröhlich zu. So ein Mist. Ich wollte das Ganze doch vorab mit ihm noch einmal besprechen! Mit weit aufgerissenen Augen und einem verneinenden Kopfschütteln wollte ich ihm ohne Worte mitteilen, dass ich dort kein Rad ausleihen wollte, doch Ralf sah mich nicht. Also stampfte ich wütend über die Straße, zog ihn an mich ran und flüsterte ihm ins Ohr, dass das mit dem Rad ausleihen nicht so wichtig sei. „Aber wir wollten doch gerne die Insel mit den Fahrrädern erkunden und diese hier sehen super aus“, entgenete er mir. Der Meerschaumpfeife rauchende Mann sah uns an und lächelte sein schönstes Lächeln. „Ich hab´s mir überlegt, mir ist das zu viel“, zischte ich Ralf zu, der nun ein großes Fragezeichen auf der Stirn hatte. Das Fragezeichen war so groß und leuchtend, dass ich ausführlicher wurde. „Pro Kilo 220 dänische Kronen. Schau mich an, ich wiege zu viel, um das bezahlen zu können!“ empörte ich mich. Ralfs Fragezeichen auf der Stirn wurde größer und größer. Es blinkte in allen Farben. Mit dem Finger zeigte ich auf das Schild, und nun verstand er mich. Das Lachen, das daraufhin aus ihm herausbrach, habe ich noch immer in meinem Kopf. In schlechten Zeiten labe ich davon, wie er da steht und sich vor Lachen den Bauch hält. Doch was war passiert? Der Meerschaumpfeife paffende Händler hatte nicht nur einen Fahrradverleih. Nein, er verkaufte nebenbei auch noch Obst und Gemüse in allen Farben und Formen. Der Kilopreis galt also den Lebensmitteln und keineswegs den Personen, die sich auf einen Sattel schwingen wollten. Oh meine Güte, wie konnte ich nur so blöd sein? Am Ende liehen wir uns die Räder natürlich aus. Unsere Tour über die Insel war megaschön und als wir die Vehikel zurückbrachten, schenkte mir der nette Obst/Gemüse- und Radhändler zwinkernd eine ganze Tüte Kartoffeln.

Ich liebe die Dänen. Sie finden mich nie doof, obwohl ich oft so verpeilt bin. Und dass sie jubelten, als das Radrennen war, bei dem ich vorrangig dachte, der Jubel gebührt uns, finde ich nach wie vor nicht seltsam, denn seit ich in dieses Land reise, habe ich immer ein schönes Gefühl, willkommen zu sein. ❤

Herzliche Grüße

Steph 🙂

2 Kommentare zu „Was man in Dänemark nicht darf (sagt mein Mann)

  1. Liebste Steph. Ein mal am Tag gelacht und es ist ein guter Tag……😊
    Der Tag ist zwar schon fast vorbei aber so eng darf man das nicht sehen.
    Danke wieder mal für diese Schmunzelgeschichte. Fühle Dich dolle gedrückt 😘
    Grüssle von MICHI

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