
Das Osterfest im Kindergarten stand vor der Tür und ich als Erzieherin fühlte mich allmählich wie eine Mitarbeiterin am Fließband. Körbchen basteln, wochenlang. Aufmalen, ausschneiden, zusammenkleben. Aufmalen, ausschneiden, zusammenkleben. Aufmalen, ach lassen wir das. 🙂
Woche 1
Montag: In drei Wochen ist Ostern. Ich muss anfangen, mit den Kindern die Osternester zu basteln. Nur, was für Nester basteln wir ?
Dienstag: Ich weiß nun, was wir für Nestern basteln. Allerdings sind in der Lagerkammer nur noch kleine Reste von Tonkarton in den von mir gewünschten Farben: Grün, Gelb, Blau und Hellbraun.
Schwarz, Grau und Lila sind in großen Mengen vorhanden.
Verschiebe die Bastelei, bis ich neuen Tonkarton gekauft habe. Frage die Kollegen, ob sie auch etwas vom Bastelladen brauchen.
Mittwoch: Mist! War gestern im Bastelladen. Beim Zusammensuchen der Dinge, die ich den Kollegen mitbringen sollte, fiel mir ein, dass ich einen Einkaufskorb brauchen könnte. Also schnell in Richtung Ausgang, wo die eisernen Körbe stehen. Ach, an der Kasse steht gerade keine lange Schlange? Dann nichts wie hin und schnell bezahlen. Zu Hause angekommen bemerke ich, dass ich den Tonkarton vergessen habe. Und wenn ich die Nester schwarz bastle?
Donnerstag: Schiebe Frust, weil ich noch immer nicht mit der Körbchenbastelei anfangen kann. Erzähle den Kindern im Stuhlkreis vom Ei und erläutere ihnen Begriffe wie Eiweiß, Eigelb/Eidotter und Luftblase. Janis fragt, warum es denn Spiegelei heiße und will sich selbst im Spiegelei begutachten. Weil er dem Ei immer näher kommt, rutscht er schließlich aus und landet mit der Nase mitten im Eidotter. Dieser zerläuft und ich kann den Kindern gleich darauf erzählen, wie man Rührei macht.
Außerdem finden sie den Unterschied zwischen einem hartgekochten und einem rohen Ei heraus. Wenigstens meinen Bildungsauftrag habe ich gut erledigt.
Freitag: Die Leute in der Fußgängerzone starren mir kopfschüttelnd hinterher. Ob es daher kommt, dass ich mir ständig „Ich muss Tonkarton kaufen. Ich muss Tonkarton kaufen. Ich muss Tonkarton kaufen.“ lautstark einpräge?
Samstag: Die Tatsache, dass ich nun endlich die gewünschten Farben des Kartons im Bastelladen gekauft habe, lässt mich gut schlafen. Um mir selbst eine Freude zu machen, habe ich die Tüte mit dem Tonkarton direkt neben mein Bett gestellt.
Woche 2
Montag: Die Bastelei kann nun beginnen. Wie viel Wochen noch bis Ostern? Zwei? Hach, egal. Das schaffe ich alles in dieser Woche!
Im Stuhlkreis habe ich den Kindern vom letzten Abendmahl erzählt und nicht bemerkt, wie Lukas (5) währenddessen die halbe Tischdeko (Fladenbrot und Trauben) weggefuttert hat. Wie war das mit dem Teilen?
Dienstag: Habe gestern mit zehn Kindern ihr Körbchen fertig basteln können. Wenn das so weitergeht, kann Ostern gern schon früher sein. Die heutige biblische Geschichte handelte vom „Garten Getsemaneh“. Ich erzählte den Kindern davon, dass Jesus dorthin ging, um in Ruhe beten zu können. „Wenn mein Papa seine Ruhe haben will, geht er in die Kneipe“, sagt Manuel. Tja, wie sich die Zeiten ändern können.
Mittwoch: Wir haben die Läuse! Weil ich den halben Vormittag damit beschäftigt bin, Puppenkleider, Kissen, Decken und Tücher in große Tüten zu stecken und im Keller für vier Wochen wegen der Läuse einzulagern, komme ich heute nicht zum Weiterbasteln der Körbe.
Neugierige Mütter fragen mich sensationslüstern hinter vorgehaltener Hand, welches Kind denn die Läuse habe. Ich verweise auf meine Schweigepflicht und drücke jeder Mutter einen Infozettel in die Hand. Ich wiederhole an diesem Tag mindestens zehn mal, dass Läuse gar nichts Schlimmes sein und gar nichts mit mangelnder Reinlichkeit zu tun haben.
Zwischen den Müttern und mir springt plötzlich Gina hin und her und ruft: „Der Niko hat die Läuse! Der Niko hat die Läuse!“ Ich bringe sie schnell aus dem Gewühl von aufgeregt schnatternden Müttern zurück in den Gruppenraum und frage sie: „Wie kommst du denn darauf, dass Niko die Läuse hat?“
„Na weil der heute der Einzige ist, der nicht da ist!“ antwortet sie keck.
Donnerstag: Hilfe, zwei weitere Läusefälle! Viel schlimmer als die Läuse selbst ist die Tatsache, dass die betroffenen Läusekinder ihr Nest noch nicht gebastelt haben…
Aber ich kann dem Ganzen auch etwas Gutes abgewinnen: Seit Kissen, Tücher, Puppen und Verkleidungssachen im Keller lagern, haben wir viel weniger Sachen zum Aufräumen und die Kinder entdecken mal wieder die Brettspiele mehr für sich.
Freitag: Waaas, die Woche ist schon rum? Blicke verstimmt auf die mittlerweile 18 gebastelten Nester und kann inzwischen die Farben Grün, Gelb und Blau nur noch mit Ekel ertragen. Erzähle heute von Jesus Sterben, der Trauer und der Auferstehung (Das leere Grab).
Woche 3
Montag: Heute muss ganz viel passieren. Ich muss heute unbedingt noch sieben Osternester mit den Kindern basteln, denn am Freitag ist schon unsere Feier und ich muss mich auch noch um so viele andere Dinge kümmern. Wie gut, dass ich in dieser Woche einen Praktikanten an meiner Seite habe.
Tim ist 16 und will mal eine Woche lang in den Beruf des Erziehers hineinschnuppern. Ich glaub, ich drücke ihm gleich mal die Bastelsache auf’s Auge, denke ich und sehe dem Ganzen ganz locker entgegen. Wird er schon schaffen. Während er mit einem Kind am Basteltisch sitzt, erledige ich wie jeden Tag alle anderen Arbeiten:
Ich hole den Tee für die Frühstückskinder aus der Küche, schneide Anna ihren Zauberapfel in zackenähnliche Stücke, schreibe einen Aushang für die Pinnwand, da Nora Mittwoch Geburtstag hat, bestelle telefonisch beim Essenszulieferer die heutige Portionenanzahl für das Mittagessen, helfe Frau Mirosch bei der Suche nach dem Hausschuh ihres Sohnes, beglückwünsche Frau Seibold zur Geburt ihres vierten Kindes, bestätige Herrn Wieland das Datum für unser Elterngespräch, beantworte telefonisch Frau Müller die Frage danach, wie man Läuse auf dem Kopf seines Kindes erkennen kann, stelle nebenbei die Stühle für unseren Stuhl- und Morgenkreis und lasse mich Punkt neun Uhr schleppend auf einem der kleinen Stühlchen nieder.
Der Morgenkreis kann manchmal zur schönsten Zeit des Tages werden. Die Tür nach aussen ist abgesperrt, der Anrufbeantworter ist aufnahmebereit eingeschaltet, die wuseligen Kinder sitzen alle schön im Kreis um einen herum und man fühlt sich, als könne jetzt der Tag erst wirklich beginnen.
Nach unserem Begrüßungslied gibt es heute mal keine biblische Geschichte. Ich habe ein Bilderbuch von Helme Heine, „Das schönste Ei der Welt“ mitgebracht und lese es vor. Ich will den Kindern gerade die Bilder zu einer Szenerie der Geschichte zeigen, als es ans Fenster klopft. Es stört. Mutter A. will ihr Kind bringen und kommt nicht rein. Klar, ist ja auch abgesperrt. Bringzeit ist bis neun Uhr. Frau A. ist nicht dankbar darüber, dass ich ihr die Tür geöffnet habe, sondern möchte mit mir die Bringzeit diskutieren. Ich sage ihr, dass wir das gerne mal beim Abholen besprechen können und verweise sie darauf, dass die Kinder und der Praktikant im Stuhlkreis auf mich warten. Als ich den Gruppenraum wieder betrete, laufen die Kinder wie aufgescheuchte Hühner im Gruppenraum herum. Paul (6) hat ihnen erzählt, er habe den Osterhasen im Garten gesehen und das bringt Aufregung mit sich. Nachdem sich alle wieder beruhigt und ich das Buch zu Ende vorgelesen habe, frage ich, wer noch kein Osternest gebastelt habe und bitte die besagten sieben Kinder zu mir an den Tisch. An diesem Tag werden drei weitere Nester fertig.
Dienstag: Ich kann das Wort Osternest nicht mehr hören und bin im Zwiespalt. Einerseits sehne ich mir das Osterfest herbei und andererseits sind wir noch nicht fertig mit der Bastelei. Wenn die Kinderpflegerin Laura als meine Zweitkraft wenigstens da wäre. Aber sie hat eine Grippe und liegt im Bett. Ich bitte Tim den Praktikanten mit ein paar Kindern eine Genseungskarte für Laura zu gestalten und mache mich wieder an die Nester.
Mittwoch: Alle fertigen Osterkörbchen stehen, mit Namen des jeweiligen Kindes versehen, auf der Fensterbank. Es fehlen nur noch vier, dass schaffen wir. Ich schmunzle, weil sich das reimt. Die heutige Turnstunde steht im Zeichen des Hasen und des Huhns. Wir spielen „Eierlegen“, und „Wer hilft dem Osterhasen?“. „Und wer hilft mir?“, frage ich mich langsam.
Donnerstag: Ich kann es nicht fassen, wir sind fertig! Alle Nester stehen in Reih‘ und Glied auf der Fensterbank. Ostern kann kommen. Ich bin so erleichtert, ich könnte vor lauter Freude weinen.
Ostersonntag: Die mir anvertrauten Kindergartenkinder sitzen im Gottesdienst und lauschen den Worten der Pfarrerin. Diese liest aus dem Johannesevangelium vor und erklärt, dass Jesus für die Sünden der Menschen gestorben ist. Sie erzählt von Jesu letzten Worten, die da waren „Es ist vollbracht“. Blöderweise muss ich dabei schon wieder an die gebastelten Osternester denken. Aber Gott kennt mich und verzeiht mir das, da bin ich sicher. 😉
Dienstag nach Ostern: Endlich gibt es mal keine Akkordbastelei. Wir können uns wieder frei den Dingen zuwenden, die zu kurz gekommen sind. Ich lasse mich von den Kindern in die Puppenecke zum Erbseneintopf essen einladen, bügele endlich die längst fertigen Steckerperlenbilder von Sara, Anna und Malte und spiele mit Lasse Kalaha. Weil Lisa so gerne den Eiffelturm in der Bauecke nachbauen möchte, schauen wir zusammen in einem Buch nach, wie dieser genau aussieht, malen einen Bauplan und hängen diesen in die Bauecke. Hach, die Normalität hat uns wieder.
Beim Abholen sagt Manjas Mama, wie schön die Osterkörbchen geworden sind und sagt diesen einen Satz, der bei mir dazu führt, dass mein linkes Augenlid vor Nervosität plötzlich unkontrolliert zu zucken anfängt. Sie sagt: „Die Nester sind so schön geworden. Ich kann es kaum erwarten, welch tolle Muttertagsgeschenke sie mit den Kindern basteln werden!“ Aaaarrrrrggghhhh! 🙂
Ich wünsche allen Leser+innen meines Blogs ein segenreiches und hamonisches Osterfest. Bleibt gesund und fühlt euch herzlich gegrüßt.
Steph ❤
Danke für die Zeilen. Habt auch ein schönes Osterfest. Herzlich, Monika
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Vielen Dank liebe Monika
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Muttertagsgeschenke basteln? Das schaffst Du! 😀
Ein wunderschönes Osterfest für Dich, Ralph und Herrn Knurpsel! Achja, ist der Elf auch noch bei Euch? Dann für den natürlich auch! 🙂
Liebe Grüße,
Werner
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Ja lieber Werner, Toffi die Fee lebt noch bei uns und verbreitet ihre positive Energie. Sie schläft zur Zeit in einem Tulpenkelch weil es da so herrlich duftet. Fühl dich lieb gegrüßt. Steph und die ganze Bande 😄
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Zu herrlich Steph,was für ein Gewusel,denke gerade an die Kindergartenzeit meiner Zwillinge zurück,ich wurde richtig nervös beim lesen,liebe Grüsse an Euch,und schöne Ostern,fühl dich gedrückt! Anja
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Danke liebe Anja 👏😄
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