Herr Schröder schwätzt schwäbisch

Jedes Jahr am 1. Dezember zieht unser Nisse namens Herr Schröder bei uns ein. Er lebt in der Hauswand unseres Esszimmers und in all den Jahren, die wir ihn in den vier Wochen des Dezembers beherbergen, haben wir ihm seine Nissedør/Nissentür noch schöner gestaltet. Die Nissedør bekamen wir damals von Micky geschenkt. Micky ist ein Freund und er hat die Tür und kleinen Möbel selbst hergestellt. Ein Tisch, eine Bank, eine kleine Laterne und eben die Tür, auf der ein typisch dänisches Herz hängt. Sogar einen kleinen Briefkasten mit einem Bernstein drauf hat Herr Schröder dank Micky. Ihr wisst ja vermutlich, dass die kleinen Nisser ganz schön viel Unfug treiben können, wenn man ihnen abends nicht einen kleinen Topf voll Milchreis vor die Tür stellt.

Dass unser Nisse ein bischen anders ist als die anderen, wussten wir schnell. Er wollte keinen Milchreis, sondern Toffifee futtern. Und davon sehr viel. Streiche machte er dennoch, einfach, weil es ihm Spaß machte. Er findet, dass das Leben zu langweilig sei ohne Schabernack. Es ist ja nun auch nicht so, dass er nur Blödsinn veranstaltet, so manche seiner lustigen Ideen sind auch lieb gemeint. Den Käse im Kühlschrank so zurechtzubeißen, dass nur noch ein Herz übrig war, damit sich der Ralf beim Frühstück freut, zum Beispiel. Oder Zucker in meinen Tee zu schütten, damit ich es süßer habe. Leider war es Puderzucker und ich mag keine versüßten Tees. Einmal hat er den Tisch im Esszimmer mit Gesichtscreme eingeschmiert, um darauf Schlittschuh laufen zu können.

Von Januar bis Ende November weilt Herr Schröder auf der dänischen Insel Fanø. Dort lebt er im Zauberwald mit vielen anderen Gesellen seiner Zunft und führt ein wunderbares Leben. Der Seeadler Klaus bringt ihn dann zu uns und holt ihn auch wieder ab. Aber dieses Jahr war alles anders. Herr Schröder, der mit vollem Namen Kalle Knispel Schröder heißt, hatte die Insel schon im Oktober heimlich verlassen. Frech wie er ist, ist er zu Klaus & Sigrid ins Auto gestiegen und mit ihnen nach Leipzig gefahren. Die beiden wunderbaren Menschen haben ihn dann per Paketpost zu uns geschickt und alles war gut. Vorerst. Denn der umtriebige Kalle Knispel Schröder wollte unbedingt erneut verreisen. In den Ruhrpott sollte es gehen, wo er eine Currywurst vernaschen wollte und anschließend wollte er noch einen Abstecher ins Schwabenländle machen. Zum einen wohnt dort bei der lieben Michaela sein Nissefreund Herr Waiblinger und zum anderen leben in Biberach an der Riß bei Mabel und Peter ganz viele MuPSe. MuPSe kennt Herr Schröder, denn auch bei uns zu Hause wohnt so eine süße Stabpuppe, namens Matze. Matze MuPs hat genauso viel Blödsinn im Kopf wie Kalle Knispel. Er hat ihm so viel von Mabel und Peter und den MuPSen erzählt, dass unser Schröderlein unbedingt dahin reisen wollte. „Bis zum 1. Dezember bin ich wieder da“, schreib er uns, bevor er abrauschte.

Wir haben uns gar nicht getraut zu fragen, wie es Michi und Mabel & Peter mit unserem Herrn Schröder ergeht. Sie werden es schon schaffen, sagten wir uns. Mabel ist als MuPSenmutter vieles gewöhnt und Michaela ebenfalls eine ganz liebe und geduldige Person.

Und dann kam er endlich, der 1. Dezember. Ich war so nervös, dass mir ständig etwas heruntergefallen ist. Morgens im Bad landete die Zahncreme auf dem Teppich statt auf meiner Zahnbürste, mittags purzelte mir der Rosenkohl vom Teller unter den Tisch und als ich mich mit ein wenig Bastelei ablenken wollte, ist mir der Glitzerkleber aus der Hand gerutscht und hat eine große Glitzersauerei auf dem Fußboden hinterlassen. Mal wieder. „Oh, Herr Schröder ist wieder da?“ fragte Ralf, als er mich putzen sah. „Nee, das war ich“, stöhnte ich und wringte den Putzlappen aus. Wo blieb Herr Schröder nur? Sollte ich noch ein wenig Nervennahrung zu mir nehmen, bevor er kam? Sicherlich würde es wieder sehr turbulent werden mit einem Nissen im Haus. Streiche spielt Herr Schröder wie gesagt ja auch, wenn ihm danach ist. Aber natürlich lassen wir uns nicht alles von ihm gefallen. Im letzten Jahr, als er so viel Toffifee gefuttert hat, dass der Seeadler Klaus zögerte, ihn nach Fanø zurück mitnehmen zu können, da habe ich unserem dicken Freund auf dem Esszimmertisch einen Trainingsparkour aufgebaut, damit er seine Pfunde verliert. Dort musste er auf dem Kicktipp-Spielteppich Fußball spielen, Limbo unter einer Zuckerstange hindurch tanzen und über Maoamblöcke springen. Das ging lange gut. So lange, wie ich neben ihm stand. Denn als ich mich kurz verabschiedete, um zum klingelnden Telefon zu gehen, da hatte er fast alle Hindernisse unseres Sportparks aufgefuttert und wir mussten wieder von vorne anfangen. Eine schweißtreibende Angelegenheit war das, dass kann ich euch sagen.

Am Abend des 1. Dezember saßen der Ralf und ich dann gemütlich auf unserem Sofa und spielten „Memory“. Da klopfte es plötzlich an der Tür. „So spät noch?“ fragte der Ralf. „Herr Schröder kann es nicht sein, der würde niemals nie nicht klopfen“, sagte ich. Er würde auch niemals nie nicht alle Treppen zu uns hochlaufen, denn das wäre ihm viel zu anstrengend. Viel lieber lässt er sich in einer Einkaufstasche nach oben tragen oder von einer Möwe auf unseren Balkon fallen lassen. Nur deshalb hat Ralf den Tisch auf dem Balkon mit einer Gummimatte ausgestattet. Die Möwe kann dann bei ihrem Landeanflug besser abbremsen und Kalle Knispel tut sich nicht weh. Höflich an der Tür zu klopfen ist jedenfalls nicht so sein Ding. „Vielleicht ist es ein Nachbar, der etwas braucht“ sagte ich zu Ralf und so ging dieser zur Tür. „Nicht schummeln!“ sagte er, während er zur Tür ging und ich über den verdeckten Karten des Memoryspiels saß. Ich wollte gerade das tun, was der Ralf mir zuvor verboten hatte, da wurde ich hellhörig, denn ich hörte eine vertraute Stimme an der Tür, die nett und freundlich mit Ralf sprach. So sprach doch aber nicht unser Herr Schröder? Ich liess das Schummeln sein und begab mich ebenfalls zu unserer Tür, wo ich tatsächlich Kalle Knispel neben Ralf stehen sah. Ralf hatte sich zu ihm hinabgebeugt, um ihn mit einer dicken Umarmung zu begrüßen. „Grüß Göttle!“ sagte der kleine Wicht, als er mich sah und lüpfte seinen Hut, um ihn gleich wieder aufzusetzen. Ich war so perplex über seine nette Art, dass ich dachte, ich fall‘ vom Glauben ab. „A Kuageschle vool drenga, dankeschön“, sprach der Nisse und hängte seinen Mantel an den Garderobenhaken. „Ist er das wirklich?“ flüsterte ich Ralf zu. Der zuckte die Schultern und ging in die Küche, um dem netten Fremden ein Glas Wasser vom Wasserhahn zu zapfen. „Und woher weißt du, was er da eben gesagt hat?“ fragte ich erneut. „Keine Ahnung, aber ein Glas Wasser ist doch nie verkehrt“, flüsterte Ralf mir zu.

„Und, war deine Reise anstrengend?“ fragte ich unseren kleinen Wicht und strich ihm über seine rote Zipfelmütze. „ Han noi, ’s Leba isch koi Schleckhafa“, antwortete dieser mir und gähnte. Dabei hielt er sich höflich die Hand vor den Mund. Hundertmal habe ich ihm das versucht zu vermitteln, aber er hat mich stets nur angelacht. Irgendetwas muss mit ihm passiert sein, da unten im Schwabenländle. Aus seinem winzigen Rucksack zog er Geschenke für uns. Kaffeböhnchen und Wibela.

Wir erkannten das Süßgebäck aus Biskuittteig sofort wieder, denn die liebe Michaela hatte uns schon einmal damit beschenkt. „A Onkel, wo was mitbrengt, isch besser wie a Dande, wo Klavier spielt“, sagte Herr Schröder, gähnte erneut und ging ins Esszimmer, wo seine Nissetür auf der Kommode an der Hauswand steht. Wir hatten alles für ihn vorbereitet und noch schöner gemacht. So besitzt Kalle Knispel nun auch eine kleine Badewanne, einen geschmückten Tannenbaum und einen flauschigen Teppich in Herzform. „Gefällt es dir?“ fragte der Ralf aufgeregt. „Net gmotzt isch globt gnug“, erhielt er zur Antwort.

Da war er also wieder, unser grummeliger kleiner Wicht. Er erzählte uns, dass er lange Zeit bei Michaela war, um seinen Freund Waiblinger zu besuchen. Jeden Tag habe die Michi leckere Sachen für sie gekocht und abends durfte er mit vielen Kuscheltieren im Bett schlafen. Weil die Michi ehrenamtlich für einen Tierverein arbeitet, durfte er mal auf einem Pferd sitzen. Das war ihm aber nicht geheuer, denn es war seinen Angaben nach so groß wie ein Elefant und er kam sich vor wie eine kleine Maus. Schabernack habe er nicht treiben wollen, denn die Michaela sei „eine soooooo liebe Person, a liabs Dengle“, da wollte er nur nett sein. „Irgendwas machen wir falsch“, flüsterte ich dem Ralf zu und dieser nickte. Dann sei er zu Mabel und Peter weitergereist. Dort traute er sich dann schon mehr, denn die vielen MuPSe hätten auch nur Blödsinn im Kopf gehabt und die Mabel ist ja auch Sozialpädagogin und könne das ab. „Ach, daher weht der Wind“, sagte Ralf leise zu mir und ich nickte. Mabel hat ihm das Lied „Auf de schwäb’schen Eisenbahn“ beigebracht. Zusammen mit den MuPSen hat er es als unter ihrer Leitung als Theaterstück aufgeführt und wollte dabei immer das „Bäuerle“ sein. Und dann durfte er mit Mabel die Kaffee-Bühne in Biberach besuchen und dem Peter dort beim Rösten zuschauen. Das fand er sehr beeindruckend. Weil Peter und Mabel während der Pandemie ihre örtlichen Restaurants unterstützen, gab es jeden Abend ein anderes tolles Gericht. Einmal habe er sogar ein LKW mit ABS gegessen, erzählte er aufgeregt. Weil Ralf und ich lange Zeit in Franken gelebt haben, wussten wir sofort, dass LKW die Abkürzung für ein Leberkäsweckle ist, aber ABS? „A bissle Senf“, hauchte uns Herr Schröder zu. Er war wirklich schon sehr müde.

„Du gehst jetzt besser einmal schlafen“, sagten wir und schalteten das große Licht aus und die Lichterkette an seiner Tür ein. Aber Herr Schröder wollte noch seinen neuen Besen ausprobieren. „Du willst jetzt noch kehren?“ fragte ich entsetzt. „Kehrwoch isch emmer“, sagte er und schwang den Besen. „Vier Jahre wohnst du im Dezember schon bei uns, aber gekehrt hast du nie“, stellte ich fest. „Was schee isch, braucht mr ned lang butza“, antwortete er mir und kehrte mit einer Zufriedenheit, die beispiellos ist, vor seiner Tür. Nachdem er fertig war, betrat er seine Tür und wir sahen, wie drinnen seine kleine Lampe anging. Dann folgte ein lautes Ploppen. Neugierig öffneten wir die Tür einen Spalt und sahen Herrn Schröder in seinem kleinen Ohrensessel sitzen. Die Zipfelmütze hing ordentlich am Wandhaken. Er hatte die Beine ausgestreckt und hielt ein Glas Wein in der Hand. Daher war also das Ploppen gekommen, er hatte sich eine Flasche Wein geöfnet. „ Was du heute kannsch entkorka, des verschiebe ned uff morga!“ sagte er und zwinkerte uns zu. Dann liessen wir ihn alleine und gingen selbst zu Bett.

„Fassen wir mal zusammen“, sagte ich abends im Bett zu Ralf. „Die Michaela hat ihn mit all ihrer Liebe zugedeckt und war so nett, dass er keinen Blödsinn machen wollte. Oder nur ein bisschen Blödsinn. Und die wunderbare Mabel hat ihm Manieren beigebracht und zu einem ordentlichen und höflichen Wichtel erzogen.“ „Ich glaube,“ sagte der Ralf, bevor er das Licht ausknipste, „wir sollten ihn öfter mal auf Reisen schicken, von seiner letzten Reise konnte schließlich nicht nur er profitieren.“ Da stimmte ich ihm absolut zu. „Aber was war denn nun mit der Currywurst?“ fragte ich in die Dunkelheit. „Er wollte doch auch in den Ruhrpott reisen und eine Currywurst essen?“ „Ach, er wird es uns bestimmt in der nächsten Zeit erzählen“, sagte Ralf und so schliefen wir erschöpft von all den Ereignissen ein.

Wir danken Michaela, Mabel & Peter für die tolle „Kümmerung“, die sie unserem kleinen Nissen erwiesen haben. Es macht nichts, dass Herr Schröder, der nach seinem Aufenthalt im Schwabenländle nun schwäbisch schwätzt, sein Dictionary bei dir vergessen hat, liebe Mabel, denn es hat uns großen Spaß gemacht, seine Sätze zu entschlüsseln. Wir mögen Dialekte.

Ich wünsche euch allen eine besinnliche und entspannte Adventszeit mit vielen schönen leuchtenden Momenten

Herzlichst, eure Steph ❤

5 Kommentare zu „Herr Schröder schwätzt schwäbisch

  1. Das erinnert mich jetzt an meine Kindheit! 😀
    Als Kind wurde ich in den Sommerferien oft für sechs Wochen bei meiner geliebten schwäbischen Oma „geparkt“. Sie wohnte in der Nähe von Ulm, in einem kleinen Dorf.
    Dann holten mich meine Eltern wieder ab – zur Erleichterung meiner Großmutter… 😀
    Einmal baute ich mich vor meinem Papa auf und schwätzte in schönstem schwäbisch:
    „Gell, Babba, i bin gwachse!“ Ich war ca. 4 Jahre alt…! 😆

    Noch Jahre danach war dieser Spruch der Running Gag in unserer Familie. 🙂

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