Neues aus dem Hinterhof

Im Hinterhof herrscht wieder reges Leben. Endlich, möchte ich sagen, denn diese absolute Stille empfand ich als nicht schön. Wer hätte ahnen können, dass es dann so ausartet? Aber lest selbst…

Woche 1: Beim Griller zündet’s nicht

Herr Griller kann nicht grillen, denn er ist zur Zeit alleine mit seinen zwei Kindern (3/1 Jahre). Seine Frau ist für ein paar Tage verreist, ich habe sie gesehen, als sie mit einem sehr großen Rucksack an mir vorbei ging. Der Rucksack überragte sie, es sah aus, als ob sie eine Wanderung zum Mount Everest machen will. In kurzen Hosen und mit Blumenspange im Haar. Vielleicht hat sie ihm auch gesagt, sie habe genug von seiner Grillerei und er soll doch mal sehen, wie er für ein paar Tage alleine mit den Kindern klar kommt. Nun sitzt er im Garten am Sandkastenrand und lässt sich von der Dreijährigen mit Sandkuchen füttern. Ein kräftiges Steak wäre ihm lieber, dass kann ich von hier oben im dritten Stock ohne Brille sehen. Seit ich ihn mal mit einem Handy in der Hand erwischt habe, während seine Tochter in der Babyschaukel eingeklemmt war, weiß er, dass ich ihn auch vom dritten Stock aus erziehend im Blick habe.

Herr Spießer, bei dem alles immer aufgeräumt, superblank und wie geleckt aussehen muss, hat sich ein bisschen rar gemacht. Zwar hat er – wie immer zu Beginn des Sommers – seine Terassenplatten abgekärchert und seine Blumen gezählt, aber Stühle und Tisch sind immer noch unter einer großen Plastikplane versteckt. Sein Sohn ist mit seiner Frau nun ins Nachbarhaus neben ihm eingezogen und das scheint der Grund zu sein, warum Herr Spießer auf seinem eigenen Grundstück noch nicht weiter gekommen ist. Er schlüpft nun öfter durch die Hecke zum Nachbargrundstück, wo er seinem Sohn ungefragt helfend zur Seite stehen möchte. Der Spießersohn hat bei uns schon für einige Verwunderung gesorgt. Statt Umzugskartons schleppte er tagelang Holzbretter in sein Haus. Von morgens bis abends sah man ihn immer wieder mit seinem Transporter vor dem Haus stehen und Holz ausladen. In den Medien las ich, dass es derzeit eine Holzkrise in Europa gäbe. Deutschland geht das Holz aus schrieb die Tagesschau bereits am 24. April 2021. Bei der Anzahl an Holzelementen, die der Spießersohn Tag für Tag aus seinem Transporter zog, konnte ich mir denken, wer für die Holzkrise verantwortlich war. Wir waren schon sehr gespannt, was es damit auf sich hatte.

Das Pärchen, welches seine Wäsche dauerhaft draußen trocknen lässt, tut das immer noch. Montags werden die Hemden und Schlüpfer frisch gewaschen auf die Wäscheleine des Balkons gehängt und eventuell zwei bis drei Wochen später abgehängt. Dass es dazwischen immer mal wieder geregnet oder gestürmt hat, macht den beiden nichts aus. Seit Neuestem haben sie ihren Teppichläufer über der Balkonbrüstung hängen. Ich habe sie das Schlüpferpärchen getauft, damit der Ralf weiß, vom wem ich rede. Ihr könnt euch ja aus älteren „Geschichten aus dem Hinterhof“ erinnern, dass deren Wäsche sich nach einem Sturm mal in unser allen Gärten wiederfand. Da denkt man, man hat einen entflogenen Zebrafinken im Baum gesichtet, dabei war es nur der Tigertangastring der Nachbarin, der sich von ihrer Wäscheleine fliegend verabschiedet hat.

Woche 2: Der Grill bleibt kalt

Herr Griller ist immer noch alleine mit seine Kindern und der Grill ist immer noch kalt. Wenn er nicht so ein Unsympath wäre, der einen nie grüßt oder mal freundlich dreinblickt, hätte ich ihm längst meine Hilfe angeboten. Er schafft es nicht mal, seine Küchenkräuter auf dem Südbalkon zu gießen, so beschäftigt ist er, sich mit seinen Kleinkindern zu beschäftigen. Weil es seit Wochen nicht regnet, habe ich schon überlegt, unsere Gießkanne an einen Telsekopstab zu hängen und damit seine Küchengrillkräuter fremd zu gießen.

Herr Spießer hat seine Stühle und den Tisch noch immer nicht aus der Plastikplane befreit. Viel zu sehr ist er weiterhin damit beschäftigt, seinem Sohn Ratschläge zu geben, die dieser scheinbar gar nicht hören will. Der Spießersohn selbst fängt im Garten an, das mitgebrachte Holz zu zersägen. Wir dürfen gespannt sein.

Das Schlüpferpärchen hat immer noch den Teppichläufer über der Brüstung hängen. Ich frage mich, welchen Zweck dies hat.

Woche 3: Spülmittelseifenblasenplocken

Herr Griller hat Rasenmäher rausgeholt. Vielleicht stand das auf der Liste seiner Frau, bevor sie fuhr. Ich hatte in vorherigen Geschichten ja schon mal geschrieben, dass er einen Handmäher dazu benutzt. Das ist eine tolle Sache, allerdings ist das Teil alt, rostig und laut. Ralf sagt, ihm tue der Rasen leid, denn das Ding, das Herr Griller benutzt, um die Grashalme zu kürzen, sei so stumpf, dass der Rasen danach Spliss habe. Die halbe Nachbarschaft stöhnt auf, wenn er mit seinem Gefährt laut scheppernd über abgemetztelte Rasenstücke rollt. Als dreijähriges Kind hatte ich mal eine Rolle, die an einem Stab befestigt war. Wenn ich diese Rolle vor mir herschob, dann purzelten im Inneren bunte Kugeln durcheinander. Nun musste ich lachen, denn genauso sah es aus, wenn Herr Griller seinen Handmäher einhändig über das Rasenfeld bewegte. Es dauerte alles lange, denn er musste sein einjähriges Kind, welches Krabbeln lernt, immer wieder aus dem Weg nehmen, um mähen zu können. Für jemanden, der sonst täglich grillt und dies seit drei Wochen nicht getan hat, wirkt er tapfer. Herr Spießer hat nun endlich seine Terrassenmöbel von der Plastikplane befreit. Zusammen mit seiner Frau hat er jeden Stuhl, die Liege und den Tisch so lange geschrubbt, bis sogar zu uns in den dritten Stock die Spülmittelseifenblasenplocken hochflogen. Anschließend haben sie sich erleichtert hingesetzt, eine Flasche Wein aufgemacht und in Zeitschriften geblättert, bevor sie ein fünfminütiges Nickerchen machten. Vielleicht hätten sie gerne länger genickert, aber ihr emsiger Sohn ist ja immer noch mit seinem Holz beschäftigt. Nachdem er es zersägt hat, dübelt er seit Tagen und bringt anschließend seinen Akkuschrauber zum Glühen. Der Teppichläufer hängt schlapp wie ein nasser Sack weiter über der Brüstung. Weil es neulich mal kräftig geregnet hat, tropft er sich nun aus und hinterlässt bei den Nachbarn unter dem Schlüpferpärchen große Pfützen, die eigenartig braun aussehen.

Woche 4: Schnüffelnd hinter’m Sichtschutz

Der Griller ist glücklich, denn Opa & Oma sind da, um ihm mit den Kindern unter die Arme zu greifen. Das freut mich sehr für ihn, denn er ist auch mit Grill ein Muffelkopp, wie wirkt sich das erst aus, wenn er wie jetzt fast vier Wochen ohne Grill klarkommen musste? Neulich habe ich ihn schnüffelnd auf dem Balkon gesehen. Die Schwiegertochter der Spießer hatte den Grill angeworfen und Steaks darauf gepackt. Ich habe von weitem ‚Guten Appetit!‘ gewünscht und als ich mich gerade wieder vom Fenster entfernen wollte, da sah ich den Griller auf dem Südbalkon. Weil er ist, wie er ist, hat er sich schnell geduckt und hinter dem Balkonsichtschutz versteckt. Blöd nur, dass just in diesem Moment die Dreijährige auf den Balkon kam und ihren Vater fragte, was er da mache. Vermutlich ist er dann auf allen Vieren in sein Wohnzimmer gekrabbelt.

Die Spießer können ihren Garten nicht mehr genießen, denn ihr Sohn macht rund um die Uhr Krach. Bohren, Dübeln, Sägen. Bohren, Dübeln, Sägen. Bohren, Dübeln, Sägen. Mittagsruhe kennt er nicht und dass der liebe Gott den Sonntag zum Ausruhen gedacht hat, ist ihm ebenfalls schnurzegal. Wir anderen Nachbarn lassen das alles geduldig geschehen, weil wir hoffen, dass er so schneller fertig wird und wir dann alle wieder ein bisschen Ruhe haben. Immerhin hat sein Bau schon Gestalt angenommen. Nachdem er mehrere Pfähle in die Erde gerammt hatte, dachten wir, er würde ein Fussballstadion mit Tribüne bauen, aber nun wissen wir, dass es ein großer Swimmingpool wird. Auf der Balkonbrüstung über dem Schlüpferpärchen haben sich Tauben niedergelassen. Die Nachbarin füttert sie gerne und so sitzen sie dort und verleihen dem Teppichläufer unter ihnen hübsche weiße Sprenkel.

Woche 5: Alles wird gut…

Die Frau vom Griller ist wieder da. Zum Fest des Tages wurde der verstaubte Grill endlich wieder an- und die vertrockneten Küchenkräuter weggeschmissen. Andere zu grüßen hat er immer noch nicht gelernt, aber wir sind ja geduldig. Die Spießer haben die Plane wieder über ihren Tisch und die Stühle gepackt und sind nach innen geflüchtet. Ihr Sohn, der die Nachbarschaft wochenlang mit dem Aufbau seines Pools genervt hat, hat nun nämlich täglich Badegäste mit Kindern zu Besuch, weswegen es sich im Hinterhof anhört, als wären wir in einem Vergnügungspark. Ralf sagt, er habe im Internet gesehen, dass manche Menschen ihren Pool an andere Leute vermieten, die dann in fremden Garten die Sau rauslassen dürfen. An einem der Pfähle hat er eine riesige HSV-Fahne aufgehängt. Ein paar Tage flatterte sie munter im Wind, dann ist der Nachbar von gegenüber nachts hin und hat einen Knoten in die Fahne gemacht. Zudem musste der Spießersohn einen Spritzschutz an den Zaun anbringen damit das Wasser nicht den Nachbargarten flutet, wenn wie neulich ein sehr dickes Kind mit Bratwurst in der Hand in den Pool hüpft. Der Teppich von dem Schlüpferpärchen ist inzwischen weiß. Zuerst dachte ich, er hätte durch die wochenlange Sonnenbestrahlung an Farbe verloren, aber es waren dann tatsächlich doch die Tauben. Ich behalte hier alles für euch im Blick und wünsche euch eine ruhige und schöne Sommerzeit.

Herzlichst eure Steph ❤

Hier geht’s zu den anderen Hinterhof-Geschichten:

6 Kommentare zu „Neues aus dem Hinterhof

  1. Liebe Steph, ich musste wieder ordentlich schmunzeln. Vielen Dank dafür. Z.B. diese Zebrafinken oder die Holzkrise. Wie kann man nur auf so etwas kommen? :-). Beim Lesen fiel mir außerdem auf, dass ich hier alles auf meine eigenen Nachbarn übertragen könnte.

    Die Istanbuler, die hier so oft wie möglich Ferien machen, um sich von der Großstadt zu erholen und dann selbst ununterbrochen Krach machen, weil sie die Ruhe nicht ertragen können. Entweder bauen sie im/am Haus etwas um und haben immer Handwerker da oder sie sägen die Bäume des Nachbarn einfach ab, bauen auf Grundstücken, die ihnen nicht gehören, einen Carport oder haben Gäste da, für die gegrillt und auch mal das Radio sehr laut angestellt wird. Herzzerreissende Musik, bei der nicht selten mitgesungen wird.

    Unter uns gibt es einen Nachbarn mit drei kleinen Kindern, die man nie hört und das finde ich sehr merkwürdig. Sein Garten ist immer tipptopp und er grüßt uns nie, wenn wir ihn nicht zuerst grüßen. Allerdings hat er jetzt einen Straßenhund aufgenommen und das rechnen wir ihm hoch an.

    Grillen tun sie leider alle hier sehr gerne. Im Dorf wird sogar vor dem Haus auf der Straße bei offenem Feuer gekocht, was bei dieser Hitze außerordentlich gefährlich ist.

    Ich überlege, nein, für das Schlüpferpärchen gibt es hier nichts zum Vergleich. Das wäre auch echt gefährlich, wenn ich hier meine Unterwäsche raushängen würde. Ich glaube das gehört sich hier nicht 🙂
    Aber Teppiche werden oft auf die Straße gelegt, damit Autos rüberfahren und die Teppiche reinigen? Älter aussehen lassen? Ich habe keine Ahnung. Dieses Rätsel konnte ich noch nicht lösen. Liebe Grüße in den Norden, Monika

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    1. Wie lustig, dass es scheinbar überall die gleichen Typen Nachbarn zu geben scheint. 😄 Das Autos über Teppiche fahren um sie zu reinigen habe ich zuvor noch nie gehört. Das sollte ich vielleicht dem Schlüpferpärchen mal als Tipp geben. 😉 Vielen Dank und einen schönen Sonntag liebe Monika.

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