Hansapark 2022

Ich liebe Rituale wie dieses, dass ich meine Freundin aus Schulzeiten jeden Sommer hier an der Ostsee treffe und wir, zusammen mit unseren Männern uns ihrem neunjährigen Sohn in den Hansapark gehen. Dieses Jahr war es auch wieder so weit und ich habe viel erlebt. Aber lest selbst…

Nach dem Frühstück stiegen Ralf und ich ins Auto, um im 30 km entfernten Hansapark unsere im Süden Deutschlands wohnenden Freunde zu treffen.Während Ralf sich auf das Fahren durch Baustellen auf der Autobahn konzentrierte, ging ich im Kopf schon mal die Fahrgeschäfte durch. Wer meine jährlichen Hansaparkberichte gelesen hat, der weiß ja, dass ich nicht unbedingt zu den mutigsten Gästen des Spaßparks gehöre. Achterbahnen wie „Der Schwur des Kärnan“, bei dem man aus 79 Metern Höhe mit 127 km/h die Achterbahn herunterrast, schaue ich mir lieber von aussen an. Und auch die „Flucht von Novgorod“ mit einer Beschleunigung in 1,4 Sekunden auf 100 km/h sind nicht so meins. Mich findet man im Kettenkarussell, kreiselnden Kaffeetassen und dem Barracuda Slide, wo man in einem kleinen Gummiboot sitzend aus 12 Metern Höhe eine Wasserrutsche herunterslidet. Letztes Jahr allerdings hatte ich mich selbst übertroffen und war trotz Angst mehrere Male Wildwasserbahn gefahren. Ob ich wohl dieses Jahr auch wieder so mutig wäre?

Es geht los

Nach einer freudigen Begrüßung durch unsere Freunde und Fragen nach dem Wohlergehen betraten wir den Park. Es war Dienstag und deswegen weniger los als an einem Wochenende. Nachdem der Mann der Freundin nach viel Kaffee und einer mehrstündigen Autofahrt erst einmal eine Toilette aufsuchte, gingen wir unabgesprochen gemeinsam zum Kettenkarussell. Jedes Jahr starten wir dort eine unserer vielen Fahrten und weil gerade wenig los war, setzten wir uns sofort in die Schaukeln und schnallten uns an. Dann ging es los. Wir wurden hochgezogen und kreisten schließlich in luftiger Höhe rund um das Karussell herum. Hui, wie angenehm der Sommerwind uns die Haare aus dem Gesicht blies. „Ich hätte mich heute morgen ja gar nicht Föhnen brauchen“, scherzte ich, dann fuhr das Karussel noch eine Stufe höher. Das Kind, das schon seit 2018 jährlich ohne Angst in diesem Kettenkarussell mitfährt, fragte plötzlich, ob es da unten ins Wasser fallen könne. Ich schaute kurz in den Wassergraben und merkte, wie eine ganze Runde eine kleine Spur Panik mit mir mitfuhr. Ich tat das, was ich vor Langem mal gelernt hatte und sang ein Lied. Wenn man singt, wird nämlich das Angstzentrum im Gehirn blockiert. Also flog ich mit Pippi Langstrumpfs „Zwei mal drei macht vier

widdewiddewitt und drei macht neune“ im Kreise durch die Luft. Bis ich die Karussellfahrt endlich so richtig genießen konnte, war sie auch schon wieder vorbei. Macht ja nix, vielleicht kämen wir später nochmal hier vorbei.

Barracuda Slide oder Gewicht gewinnt

„Willst du mit mir oder mit dem Ralf in einem Boot fahren?“ fragte ich den Sohn meiner Freundin. „Wenn man mehr Gewicht hat, ist man schneller!“ antwortete er mit leuchtenden Augen. „Ja, dann musst du wohl mit mir fahren“, gab ich ihm lapidar zur Antwort. Auf dem 12 Meter hohen Turm angekommen, nahmen wir uns die Boote aus dem Förderband und legten sie auf das Rollgitter. Dann setzten wir uns in das Boot und warteten gespannt auf den Moment, an dem der Bootsmannknöpfedrücker endlich das Startsignal gab. 3, 2, 1 und schon rauschten wir die Wasserbahn in unseren Gummibooten hinab. „77 Meter!“ jubelte das Kind und fragte Ralf, wie weit er denn gekommen war. Ralf schaute auf die Meterangabe neben der Bahn und musste zugeben, dass er mit 75 Metern verloren hatte. „Nochmal, nochmal!“ rief das Kind voller Begeisterung und rannte schon wieder auf den 12 Meter hohen Turm zu. „Jetzt will ich alleine fahren“, sagte er und wartete meine Reaktion ab. „Du kannst ja lesen, dann lies mal, ob auf der Infotafel steht, ab wann man alleine fahren darf“, sagte ich. „Man darf schon ab sieben Jahren alleine fahren“ sagte das neunjährige Kind, nachdem es die Tafel intensiv gelesen hatte. Ich gebe zu, diese Info hatte ich selbst schon, aber nach diesem Gerenne zum Turm musste ich kurz mal verschnaufen. Jeder von uns dreien setzte sich nun in ein eigenes Boot, dann warteten wir wieder und schwuppsdiwupps ging es mit großen Geschrei meinerseits wieder herab. „79 Meter!“ jubelte ich nun und freute mich, weil die anderen beiden nur auf 73 und 75 Meter gekommen waren. Dann kam die Ernüchterung, denn das Kind rief „Gewicht gewinnt!“ und ich weiß nicht, ob das für mich tatsächlich immer noch so ein toller Grund zum Jubeln war.

Das Katapult der Angst

Wir fuhren in sich drehenden Kaffeetassen umher, schauten dem Kind beim Hüpfen auf einer der vielen Hüpfburgen zu und durchschritten langsam eine dunkle Bärenhöhle. Dann fragte die Freundin, ob wir nicht mal etwas essen wollen. Wir standen zwischen dem KATAPULT (Kärnapulten) und der Achterbahn „Schlange von Midgard“. Das Katapult machte mir, obwohl ich in den vergangenen Jahren schon dreimal damit fuhr, immer noch Angst. 2020 hatte nämlich der Mann, der die Knöpfe für den Start drückt, sich von seinem Stand entfernt, während wir da oben in 22 Metern Höhe um uns selbst kreiselten. „Was macht der denn da, holt der sich jetzt ein Fischbrötchen und hält mit dem Fischbrötchenmann ein Schwätzchen?“ fragte ich mich und hatte Angst. Was, wenn jetzt was passierte? Auf der Internetseite des Hansaparks wird das Katapult kurz und knapp so beschrieben: Kreisbewegung in auf- und abschwingenden Gondeln, die selbstständig über Kopf gedreht werden können. Warum ich dennoch dreimal mitgefahren bin? Ich wollte rausfinden, wovor ich mich darin so ängstigte. „Wollen wir erst essen oder erst Katapult fahren?“ holte mich die Freundin aus meinen Gedanken. „Erst Katapult fahren!“ antwortete ich schnell, denn ich hätte es nicht ertragen können, beim Essen über dieses Fahrgeschäft nachzudenken. Das wäre gewesen, als habe man als Kind am Sonntagabend erst gemerkt, dass man noch Hausaufgaben auf hat. Wir standen als erste in der Schlange an und waren somit in der glücklichen Lage, uns einen Sitzplatz frei wählen zu können. Ganz hinten wollte ich sitzen, denn vorne hat man noch mehr das Gefühl zu fliegen und das wollte ich lieber nicht haben. Die dicken Haltegriffe gingen automatisch zu und drückten mir auf Schlüsselbein und Bauch. Das Gefährt, in dem wir einzeln, aber mit zehn anderen Personen saßen, wurde nach oben gezogen. In 22 Metern Höhe stoppte es dann kurz und nahm Anschwung für den Erkundungsflug. Ich nahm alles aufmerksam wahr, denn noch immer wollte ich herausfinden, warum ich hier drin immer solche Angst hatte. Wellenähnlich ging es immer rauf und runter. Da hatte ich es. Ich baumelte wie Karlsson vom Dach beim Fliegen über der Erde. Wenn jetzt die beiden Haltebügel sich lösen würden, würde ich mit dem Gesicht nach unten auf dem Asphalt aufkommen. Oh weia. Doch dann versuchte ich logisch zu denken. Die Haltegriffe würden sich nicht lösen. Vor mir saß ein Mann mit staatlichem Gewicht, sein Haltebügel ging kaum zu, als er einstieg, und dennoch hielt er ihn fest wie eine liebende Mutter ihr Baby. Ich beruhigte mich. Das einzige Problem war nun nur noch die Höhe und die brauchte ich ja gar nicht sehen, denn ich konnte ja die Augen schließen. Man, war ich schlau! Die nächste Runde ließ ich mich also mit geschlossenen Augen umherfliegen, da hörte ich von meiner Freundin ein „Hey Steph, ist alles okay?“ „Ja!“ sagte ich und schaute sie an. Dabei entdeckte ich auf der Ostsee, an dem der Hansapark liegt, in weiter Ferne ein Kriegsschiff. Da wurde mir dann wieder mulmig. Aber die Fahrt im Kärnapulten, die hatte ich auf jeden Fall gut überstanden.

Im Saloon

„Cowboys! Scrape Shit from Boots before Entering“ stand auf dem Schild über dem Restaurant geschrieben. Wir suchten uns einen Fensterplatz und schauten in die ausgelegten Speisekarten. Ich fühlte große Dankbarkeit, zum Essen eingeladen worden zu sein, denn die Preise fand ich gewaltig. 13 € für eine Ofenkartoffel mit Quark? Bei uns zu Hause kochte meine Mutter dieses Essen immer dann, wenn am Monatsende fast kein Geld mehr da war. „26 Mark für ’ne Kartoffel?“ flüsterte ich dem Ralf ungläubig zu. Er konnte mir nicht antworten, weil eine Wespe die Aufmerksamkeit unser aller forderte und dann kam auch schon die Bedienung, um die Getränkebestellung aufzunehmen. Der ganze Saloon war voll mit Gästen, die sowohl draußen als auch drinnen saßen. Das Personal war schwer beschäftigt, wohl auch, weil es aus nur wenigen Personen bestand. Auf der Speisekarte standen neben teuren Kartoffeln auch Burger, die das ähnliche kosteten. Man musste das Brot auswählen (Brioche oder Rustikal), die Sauce aussuchen und welchen Patty man wollte. In Lübeck hatten wir ein ähnliches Restaurant, das heute den Namen Peter Pane trägt. Früher verkauften sie Hotdogs und da musste man dann auch immer alles einzeln aussuchen, was mich einfach stresste, da ich immer wieder vergaß, was ich eigentlich wollte. Ich zeige gerne auf Nummern und sage „Ich will die Nummer 61 und ’ne Cola light“, weil ich das einfacher finde. Zumal es hier im Saloon zu wenig Personal gab, welches dann immer noch fragen musste, welches Brot und welche Soße und welcher Belag und welche Beilagen. Aber es war sehr lecker und deswegen regte ich mich innerlich auch gar nicht mehr über die viele Arbeit für das Personal auf, sondern erinnerte mich daran, heute Freude zu erleben.

Die Schlange von Midgard

Nach dem Essen gingen wir zum Katapult, weil dort nämlich auch noch eine Achterbahn zu sehen war, in der wir noch nie mitgefahren waren. „Niemals!“ sagte ich als ich gefragt wurde, ob ich mitfahren würde. Allein, dass diese Achterbahn in einem Holzverschlag erstmal im Dunkeln hochfährt, um mich dann in einem großen Scheunentor wieder auszuspucken, fand ich nicht sehr prickelnd. Ich setzte mich neben den Mann meiner Freundin, der nie mit irgendwas mitfährt und toll auf unsere Taschen aufpasst. Dieser konnte gar nicht fassen, dass ich da nicht mitfuhr. „Steph, hör mal zu, da brauchst du keine Angst zu haben, das ist alles ganz einfach.“ Dann erklärte er mir die Bahn, aber ich hörte nicht aufmerksam zu, weil ich bei dem Satz „du brauchst keine Angst haben“ dachte: „Ich hab‘ sie aber nun einmal.“ „Ich schau lieber mal, ab welchem Alter die Bahn ist“, sagte ich und stand auf, um zur Infotafel zu gehen. „Die ist ab fünf Jahren!“ rief er mir hinterher und als ich an der Infotafel stand, merkte ich, dass er mal wieder recht gehabt hatte. Da kam mir auch schon der Sohn meiner Freundin mit seiner Mama entgegen. Sie erzählten mir, wie toll die Fahrt war und dass ich da unbedingt auch mal mitfahren müsse. Ich merkte, dass ich das tatsächlich mal selbst ausprobieren musste und war dem Sohn meiner Freundin sehr dankbar, dass er mich auf meiner Fahrt begleiten wollte. In der Warteschlange erzählte er mir dann Folgendes: „Also erst wird es dunkel und dann fährt man hoch, aber nur kurz und dann geht eine Tür auf und…“ Er lachte kurz, bevor er weiter erzählte: „Dann wird man ein bisschen nass, weil da aus einem Rohr Wasser raus tropft und dann fährt man in eine steile Kurve und, ach ja, ich hab noch was vergessen, es passiert auch noch was Gruseliges!“ Na super, dachte ich mir. Da waren schon mal drei Dinge zuviel, die ich nicht wollte. Steil hochfahren zum Beispiel oder im Dunkeln sein oder generell in einer Achterbahn sitzen. Aber versprochen ist versprochen und so setzten wir uns gemeinsam in einen leeren Wagen. Die Fahrt ging los. Ein Tor wurde geöffnet, wir fuhren hindurch und blieben vor einer angeleuchteten Puppe stehen, die irgendeinen Zauberer darstellen sollte. Sogar ich – ohne Brille – konnte sehen, wie sich sein klappriger Arm mit dem warnenden Zeigefinger quietschend hin und her bewegte, was ich sehr lustig fand. Dann fuhren wir in schnellem Tempo in der Dunkelheit einen kleinen Hügel hoch, das Tor ging auf und wir rauschten mit Tempo durch einen Tunnel, bevor wir dann in eine scharfe Kurve kamen, Wasser uns auf den Kopf tropfte und wir schon wieder am Anfang waren, wo die zweite Runde sofort startete. Obwohl die Fahrt total lustig und gar nicht schlimm war, konnte ich mich (noch) nicht entspannen, weil ich immer noch an das Gruselige, das gleich passieren würde, dachte. Völlig verkrampft saß ich in unserem Waggon und hielt mich fest mit beiden Armen an dem Bügel fest, immer nach links und rechts schauend, wo gleich was Schlimmes passieren würde. Wieder ging das Tor auf, wieder kamen wir an dem lustigen Onkel mit den quietschenden Armen vorbei und wieder wurden wir hochgezogen, um anschließend rasant nach unten durch den Tunnel zu brausen. Dann war die Fahrt zu Ende und ich hatte Fragen an den Neunjährigen, der mir doch erzählt hatte, das da was Gruseliges passiert. „Na, der Gandalf mit der Mütze, der am Anfang steht“, antwortete er mir aufgeregt. Man war ich erleichtert.

Zum Schluß fuhren wir noch ganz viele Fahrten mit dem rasenden Roland (oder auch Royal Scotsman), eine Fahrt im sich kreiselnden Schlauchboot (Störtebekers Kapernfahrt) und der Wildwasserbahn, die es schon seit 40 Jahren gibt. Es war ein Tag voller Aufregungen und am meisten habe ich mich darüber gefreut, dass ich schon wieder einen Teil meiner Ängste in die Mottenkiste packen konnte. Im nächsten Jahr könnte ich im Katapult hoffentlich gänzlich ohne Angst mitfahren und endlich hätte ich mit der Schlange von Midgard eine neue Achterbahn gefunden, mit der ich mitfahren konnte. Das Allerschönste war allerdings, dass ich mir vor lauter Freude im Kettenkarussell, dem Barracuda Slide oder den anderen Fahrgeschäften alles an angestauten Emotionen der letzten Wochen mal so richtig rausschreien konnte. Andere gehen dafür in den Wald, ich steige dafür in eine Achterbahn. Das alles mit lieben Freunden zu erleben machte den Tag perfekt. Bis hoffentlich im nächsten Jahr.

Herzlichst, Eure Steph

P.S.: Hier kommt Ihr direkt zu den anderen Hansapark-Geschichten:

4 Kommentare zu „Hansapark 2022

  1. Ich liebe Freizeitparks. Fahre aber auch nur die nicht so heftigen Sachen. Im Legoland bin ich in ein Fahrgeschäft gestiegen, welches harmlos anmutete. Als man dann allerdings die Handtaschen abgeben musste, schwante mir nichts Gutes. Es war ein Turm, man wurde hochgezogen und dann ging es im Fall runter. Ich habe sehr laut geschrien und habe später meine Tasche geschnappt und bin davon.
    Noch einen schönen Sonntag
    Annette

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    1. Ach weißt du liebe Monika, ich hatte auch einen tollen neunjährigen Jungen dabei. Der weiß inzwischen wie er mich einschätzen kann und wenn ER sagt „Steph, da kannst du ruhig mitfahren“ dann vertraue ich ihm 😉 Ich bin so froh, ein paar Schranken in meinem Kopf bezüglich meiner Ängste (Kontrollverlust) ein wenig hinter mich gelassen zu haben, denn erst jetzt merke ich, wie anstrengend die im Grunde waren. Ich wünsche dir einen guten Start in die Woche und grüße dich von Norddeutschland in die Türkei. Liebste Grüße Steph 🙂

      Gefällt 1 Person

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