Herbst/Abschiede

Abschiede fallen mir immer schwer. Im Bezug auf die Jahreszeiten, die ich alle liebe, ist der Übergang vom Sommer in den Herbst für mich noch nie leicht gewesen. Ich freue mich total, wenn der Winter da ist und nerve den Ralf ab da an täglich mit der Frage nach Schnee, der vom Himmel fällt. Wenn der Winter vorüber ist und der Frühling vor der Tür steht, machen sich kleine Glücksgefühle in mir breit. Der Sommer, der den Frühling ablöst, ist der Höhepunkt des Jahres. Und der ist nun vorbei. Keine Frage, ich mag den Herbst unglaublich. Wenn die Luft so herrlich erdig riecht, die Blätter sich in den schönsten Farben tönen und die reifen Kastanien von den Bäumen plumpsen, dann macht mich das sehr froh. Und dennoch hat der Herbst etwas Schweres…

Debbie

Ich, die völlig Ungeduldige, die, die nie was abwarten kann, musste im September 2017 schmerzhaft spüren, was wirkliche Abschiede bedeuten. Es war das Jahr, in dem der Herbst und der Wald für mich ihre Unschuld verloren. Der Sommer wollte damals überhaupt nicht enden. Es war so unglaublich warm und sonnig, dass man hätte meinen können, der Herbst habe einfach vergessen zu starten. Ich befand mich seit fünf Wochen in einer psychosomatischen Rehaklinik, um mich wegen meines Burnouts und der Depression behandeln zu lassen. Alles dort tat so unglaublich gut. Das Schwimmen, das Fahrradfahren, das kreativ sein, die Gesprächstherapien und die Einzelsitzungen. Sehr viele Menschen hatte ich kennengelernt, von denen ich einige richtig gerne mochte. Es war so unglaublich hilfreich, in dieser Gruppe unterwegs zu sein, denn ich musste mich nicht lange erklären. Jeder Mensch, den ich traf, wusste, wovon ich sprach, wenn ich meine Depression, meine „Debbie“ mit ihren Furunkeln, zu erklären versuchte. „Es ist, als hätte ich vergessen, wie das Leben geht“, sagte ich in einer unserer Gesprächsrunden. „Da stehe ich morgens vor der Dusche und habe einen unsichtbaren Mühlenstein auf meinen Schultern. Es ist, als drücke er mich runter. Alles macht er schwer. Meine Beine, meine Arme und meine Füße. Ich bin so unglaublich kaputt. Körperlich und psychisch. Nur mein Kopf wird niemals müde und sendet mir ungefragt völlig schlimme Szenarien vor. Er weiß nicht mehr, dass die Nacht zum Schlafen da ist und lässt mich auch am Tag nicht in Ruhe. Und dann stehe ich da vor der Dusche und bin zu fertig, um mich auszuziehen und dort hineinzusteigen. Ist das denn zu fassen?“ Ich weiß noch genau, wie alle in diesem Raum so heftig nickten, als wären sie Körner aufpickende Hühner. Es tat so gut, dass sie wussten, wie es ist, an Depressionen zu leiden und tat gleichzeitig so weh, denn dieses Biest muss man erst mal reiten lernen. Ich erfuhr, dass es „normal“ ist, wenn man wie ich plötzlich keine Bücher mehr lesen kann, weil die Konzentrationsstörung sich mit einer Depression einherhält. In all der Traurigkeit war es so gut zu erfahren, dass ich keine Versagerin, sondern eine erkrankte Person war.

Gefühle, Gefühle, Gefühle

Ich war ambulant in dieser Reha und das hatte seinen Grund. Durch viele Verluste, einige davon in frühester Kindheit, leide ich unter einer großen Verlustangst, die es mir fast unmöglich macht, getrennt von meinem lieben Ehemann zu sein. Der Mann, mit dem meine Mutter zwei wunderbare Kinder hat, verließ uns und suchte sich neue Seelen, die er drangsalieren konnte. Der Tag, an dem Ralf und ich hinter dem schneeweißen Sarg unserer Tochter hergingen, ist tief in unsere Gedächtnisse gebrannt. Der Pfarrer, der sich in der Trauerhalle vor ihr verneigt und minutenlang still steht, um ihr den Respekt zu zollen, den sie verdient hat. Der unnötige Ärger über Menschen, die meinten, wegen anderer Termine nicht zur Beerdigung kommen zu können. Die schluchzende Trauergemeinde. Die Wut auf das Schicksal, das uns so übel mitgespielt hatte. Die Sehnsucht, alles möge wieder so werden, wie es vorher war. Die unendliche Liebe zu unserem wunderschönen Kind, das nicht in diesem mit Seide ausgekleideten Sarg liegen sollte. Das Unverständnis darüber, dass ein lieber, im Rollstuhl sitzender Arbeitskollege nicht ans Grab kommen konnte, da der Zugang nicht barrierefrei war. Gefühle, Gefühle, Gefühle. Sie liegen da vor einem oder in einem wie ein Hefeteig, der weiterverarbeitet werden will und quillen immer wieder über, wenn man versucht, sie wegzuschieben. Als die Rentenversicherung mir schrieb, ich könne in einer ambulanten Reha 30 km von meinem Wohnort teilnehmen, war ich sehr erleichtert, auch wenn es stressiger war als zeitweise in der Klinik zu leben. Wie immer in meinem Leben versuchte ich es positiv zu sehen. Im Bus, der mich wochentags eine Stunde lang über diverse Ortschaften bis an mein Ziel schaukelte, konnte ich mich ganz in Ruhe auf meinen Rehatag einstimmen. Wann sieht man schon mal ein Ackerfeld im Nebel der aufgehenden Sonne, fragte ich mich und schickte Ralf zu Hause Fotos meiner Fahrt. Es war auch aus anderen Gründen gut, jeden Werktag an und wieder abzureisen, denn wo viele Menschen zusammenleben, gibt es immer mal wieder Streit. Ein Fernsehabend nach Feierabend im eigenen Wohnzimmer empfand ich als wertvoller, als im Gemeinschaftsraum mit anderen über das Fernsehprogramm zu diskutieren. „Ich fühle mich wohl, weil ich von all dem Leben da draußen derzeit nichts mitbekomme“, sagte meine Mitpatientin Mira und griff zum Buch statt zum Handy. Ich wusste genau, was sie meinte und war dennoch glücklich, abends wieder nach Hause fahren zu können. Ein paar Tage zuvor hatte ich etwas Tolles erlebt. Von all den Anwendungen, dem Sport und therapierenden Gesprächen hatte ich plötzlich so viel Ruhe und Ausgeglichenheit in mir, dass mir am Bushaltestand vor meiner Haustür etwas Komisches passierte: Völlig froh darüber, meine Konzentrationsprobleme wieder in den Griff bekommen zu haben, las ich in einem neu gekauften Buch und versank auf der Bank sitzend darin. Ich schaute nicht auf, als der vermeintliche Bus kam, sondern begab mich lesend zu diesem. „Na junge Frau, wollen’se mitfahr’n?“ fragte mich ein Mann. Ich dachte noch, wie unsinnig diese Frage sei, denn wer auf den Bus wartet, der will natürlich mitfahren. Doch dann wunderte ich mich über das neue orangefarbene Design des „Busses“ und musste lachend feststellen, dass ich gerade im Begriff war, auf einem Müllauto mitzufahren. Der Mann lachte, ich lachte und ich glaube, eine Möwe am Himmel lachte auch. Es zeigte mir, wie entspannt ich während der nun schon fünf Wochen Reha geworden war. Zwei ganze Wochen hatte der Klinikchef in Absprache mit meinem Therapeuten und mir noch draufgepackt, so dass ich sieben Woche Reha bekam. Es würde also vielleicht alles noch besser werden, als es jetzt schon war. Erleichterung und Zuversicht. Hoffnung und Optimismus. Zufriedenheit und Kraft.

Schatten

Dass es vielleicht doch nicht so gut war, von dem Leben da draußen alles mitzubekommen, erfuhr ich am Freitagabend nach einem harten Tag in der Reha. Mein Bruder war verschwunden und wurde von der Polizei gesucht. Nicht, weil er etwas Schlimmes getan hatte, sondern weil er eventuell etwas Schlimmes vorhatte. Entsetzlicher Liebeskummer und Geldschulden hatten ihn in die Enge gedrängt und dazu gebracht, mit einer Picknickdecke und einem Rucksack zu verschwinden. Um auf seiner Flucht vor/aus dem Leben einen Vorsprung zu haben, hatte er zuvor Urlaub eingereicht. Die Polizei sucht keine erwachsenen Menschen, die ein paar Tage Urlaub machen möchten, und die Frau meines Bruders, die seit Kurzem mit einem Kurschatten angebandelt hatte, erzählte auch erst Tage später, dass mein Bruder in suizidaler Absicht verschwunden sein könnte. Von Null auf Hundert fand ich mich plötzlich in einer emotionalen Lage voller Angst und Sorge. Ich war froh, am Montagmorgen alleine im Bus zu sitzen und meinen Gedanken nachhängen zu können. Wo konnte er nur sein? In der Reha angekommen, tat ich das, was ich gut kann: Mir nichts anmerken lassen und mich um andere kümmern. Meine Mitpatientin Mira hatte einen Blumenstrauß für diejenigen gekauft, die heute nach den fünf Wochen abreisten und wollte nun Geld und eine Unterschrift auf der Karte von mir. Ich war froh um jede Ablenkung, denn zu Hause würde es wieder nur um die eine Frage gehen: Wo war mein Bruder? In der Gruppentherapie durften diejenigen, die abreisten, von ihrer Zeit berichten und sich von uns noch nette Abschiedsworte wünschen. Ich wollte diese Stimmung, die von Abschiedstränen und positiven Gedanken an Neuanfänge geprägt war, nicht dadurch zerstören, in dem ich von der verzweifelten Suche nach meinem Bruder erzählte und behielt alles für mich. Mein Handy war ab da im Dauerseinsatz. Immer laut gestellt war es überall, wo ich war. Es lag neben mir auf dem Nachttisch, wenn ich schlief, es lag auf dem Waschschrank im Badezimmer, wenn ich duschte und als ich mal was essen wollte, legte ich es aus Versehen in den Kühlschrank. Ich hatte einen Suchaufruf bei Facebook gestartet und war wie elektrisiert, wenn es einen neuen Kommetar darunter gab. Ich möchte an dieser Stelle mal einen Tipp an alle geben, die einen Suchaufruf kommentieren. Es ist nicht hilfreich zu schreiben, wie furchtbar das alles ist, denn das weiß man als betroffene Person selber. Wir benötigten hilfreiche Kommentare und keine Sätze wie „Ich glaub‘, ich kenne euch“ oder „Das ist ja ’ne blöde Sache“. Eine blöde Sache ist es, wenn mir mein Autoschlüssel in den Gullischacht fällt oder ich am Montagmorgen merke, dass das Brot schimmelt. Das hier das war tragisch! Gefühlt habe ich die letzen beiden Wochen meiner Reha nicht mehr richtig geschlafen. Müde fühlte ich mich allerdings auch nicht. Ich war einfach dauerhaft angeknipst. Das erste, was ich nach dem Aufstehen morgens tat, war, mein Handy auf neuen Nachrichten zu überprüfen, anschließend ging ich am PC auf das Portal der Polizei, um eventuell Neues über den Verbleib meines Bruders zu erfahren. Ich kontaktierte alte Klassenkamerad:innen von früher, die noch in dem Ort lebten, in dem mein Bruder seine Flucht angetreten hatte. 400 Kilometer trennten mich von dort. Sie informierten mich über Fliegerstaffeln, die über das Gebiet zogen und Mantrailer, die den Ort durchsuchten. „Wenn die Blätter von den Bäumen geflogen sind, kreisen wir nochmal mit dem Hubschrauber über den Ort“ liess man mich wissen. Ich die den Übergang vom Sommer bis zum Herbst so gerne verlängert hätte, konnte es nun kaum erwarten bis der Herbst so richtig Einzug hielt. Am beste wäre ein kräftiger Sturm damit die Blätter flogen. „Wo ist der Kerl denn nur?“ schrieb mir ein lieber Freund, mit dem ich zur Schule ging und dessen Bruder Einsatzleiter bei der örtlichen Feuerwehr ist. Es rührte mich, dass ihn das alles so berührte. Schließlich hatte ich außer Ralf und meiner Mutter in meiner eigenen Familie so etwas nicht. Es hat mich damals keiner gefragt, wie es mir während dieser aufwühlenden Suche ging und ob es etwas Neues gibt und vergaßen dabei etwas Wichtiges: Selbst, wenn sie das alles nicht interessierte, was schlimm genug wäre, dann gaben sie mir hiermit das eindeutige Zeichen, dass auch ich ihnen egal wäre. Das tat und tut weh.

Die Reha endet

Immer noch hatte ich in der Reha keinem davon erzählt, was mir derzeit passierte. Alle waren irgendwie in Aufbruch und Neuanfangstimmung, da wollte ich nicht von meinen Tränen und Sorgen reden. Leider war mein Einzeltherapeut dann auch noch im Urlaub, und so beschritt ich wieder gewohnte Verhaltensmuster, indem ich alles mit mir selbst ausmachte. Abends telefonierte ich mit meiner Mutter und liess mich von Ralf trösten. Die ganze Anspannung zollte ihren Tribut. An einem bestimmten Tag im Oktober – noch sechs Tage bis zu meiner Entlassung aus der Rehaklinik – konnte ich nicht mehr. Wie jeden Tag ging ich zu dem Bus, der mich in die 30 Kilometer entfernte Klinik bringen würde und wusste nicht, ob ich dort einsteigen sollte. Es ist, als ob man sich plötzlich fragt, ob es Sinn macht, sich die Zähne zu putzen. Ein Gefühl der totalen Gleichgültigkeit überkam mich. Noch nie war mir alles so egal gewesen wie an diesem Tag. Das mag schrecklich klingen, aber für mich war es in einer Art, die ich nicht beschreiben kann, befreiend. Ralf rief an diesem Tag in der Klinik an und sagte, dass er besorgt sei, weil ich heute morgen in einer eigenartigen Stimmung das Haus verlassen habe. Ob ich angekommen wäre? Ich wusste davon nichts, als mich der Bus wieder durch die Ortschaften schaukelte. Doch als ich in der Klinik ankam, nahm mich Krankenschwester Petra gleich zur Seite. Sie schob mich in den Nebenraum, platzierte mich auf einen Stuhl und sagte: „So, jetzt reden sie mal!“ Da brach auf einmal alles aus mir heraus. Der ganze Druck, die vielen Tränen, die Sorge und die Hilflosigkeit. Es war so unfassbar befreiend, vor dieser Krankenschwester zu sitzen und ihr alles zu berichten. Sie verstand mich blind. „Ich habe sie schon immer bewundert, wie sie hier über das Gelände hüpfen und anderen Freude bereiten. Aber ich wusste auch, dass sie manchmal einen Wald bräuchten, in dem sie sich alles von der Seele schreien können.“ Sie schien mich wirklich gut kennengelernt zu haben in den letzten Wochen. Anschließend gab sie mir ein leichtes Beruhigungsmittel und Dragées, mit deren Hilfe ich nachts gut schlafen könne. Im Nachhinein glaube ich, dass mein Bruder genau an diesem Tag von dieser Welt ging.

Trauer

Am 24. Oktober erhielt ich den gefürchteten Anruf der Polizei. „Wir haben da eine leblose Person gefunden und glauben, dass es sich dabei um ihren…“ Mehr hörte ich nicht, weil ich weinend zusammenbrach. Ralf musste das Telefongespräch übernehmen. Nun war klar, dass ich meinen Bruder nie wieder sehen würde. Wie verzweifelt er gewesen sein musste. 25 Tage waren vergangen, nachdem man ihn zuletzt lebend gesehen hatte. In all die Trauer mischte sich auch Erleichterung, denn nun war es vorbei mit dem Zittern, Bangen und sich Sorgen machen. Um in Erfahrung zu bringen, was genau passiert war, arrangierte eine liebe Freundin, die als Rechtsanwältin arbeitet, dass die Akte mit dem Obduktionsbericht von der Staatsanwaltschaft zu uns nach Lübeck geschickt wurde. Man hat als Privatperson das Recht, diese Akten einzusehen, allerdings nur über eine Rechtsanwaltskanzlei und auch nur für ein paar Stunden. Meine Mutter, Ralf und ich saßen in der Kanzlei und bekamen Einblicke in die letzten Stunden eines einsamen Menschen. Wir sahen den Inhalt seines Rucksacks, seinen Körper und die Fundstelle. Danach habe ich ganze drei Tage lang nicht geschlafen. Wir wußten nun, dass er sich vergiftet hatte. Wie sollte es nun weitergehen? Alles, was ich in der Reha gelernt hatte, war wie weg. Wozu sollte ich jetzt noch Muskelaufbautraining daheim betreiben, wenn mein Herz so schmerzte? Zu meinem großen Glück war ich gesegnet von empathischen Menschen, die mich trösteten, auffingen und intuitiv immer das Richtige machten. Dass es allerdings in meiner eigenen Familie Menschen gab, die nicht mal jetzt fragten, wie es mir geht, löste ich ganz einfach: Ich traf sie nicht mehr.

Licht

Das war der Sommer, in dem ich lernen musste, mit Abschieden umzugehen. Jedes Jahr holt mich die Erinnerung ein, wenn der Herbst bevor steht. Ich wollte euch nicht traurig machen. Vielmehr wollte ich euch Einblicke in das geben, was mich beschäftigt, wenn der Herbst ins Land zieht. Zu meinem großen Glück habe ich seit vier Jahren einen erfahrenen Therapeuten an meiner Seite, der mit mir alles aufarbeitet. Er und ich haben einen Termin am 30.09. Ganze vier Jahre, nachdem mein Bruder verschwand. Dann werde ich ihm berichten, wie ich mir den Herbst selbst wieder schön gemacht habe. Mein Bruder hat mich in meinen Träumen besucht. Wir haben auf dem Fussboden gelegen und unsere Füße an die warme Heizung an der Wand gelehnt. „Glaubst du, es wird irgendwann mal wieder Sommer?“ habe ich ihn gefragt. „Schau auf dein Herz, da ist doch jeder Tag Sommer“, hat er lächelnd geantwortet. Und ja, so ist es. Ich mache es mir schön und bin den Leuten, die mir dabei helfen, so unglaublich dankbar. So hat meine Mutter uns im Frühjahr Sonnenblumensamen geschenkt. Wir mögen sie bitte für Nele einpflanzen, denn meine Mutter hat keinen Garten. Sonnenblumen sind unser jährlicher Gruß an unser Kind. Hoch sollen sie wachsen, bis sie fast den Himmel berühren. Knallgelb erstrahlen sie nun auf unserem Balkon und winken Nele wippend zu. Es ist alles nicht mehr so schlimm wie vor vier Jahren. Wir haben die Segel neu gesetzt und erfreuen uns an Kleinigkeiten. Die vielen Marienkäfer, die sich vor dem Winterschlaf an unserer warmen Hauswand ausruhen, sind nur ein Beispiel von vielen. Letzte Woche habe ich mit Ralf einen Waldspaziergang gemacht und meine Angst davor verloren. Wir sahen einen Baum voller „Nasenzwicker“, lachten über ein Pony, das genau meine Größe hatte und staunten über die schöne Natur um uns herum. Er hat Kerzen gekauft, die wir abends anzünden, wenn wir uns im Wohnzimmer unterhalten und im Oktober stellt er auch die Heizung endlich an, hat er gesagt. Bis dahin legt er mir abends eine kuschelige Decke und eine Wärmflasche auf dem Sofa bereit. Der Abschied hat seinen Schrecken verloren. Nun freue ich mich auf Herbststürme, große Wellen am Ostseestrand und hyggelige Stunden voller Gemütlichkeit. Nächste Woche gehen wir zum Drachenfestival an den Strand, wo wir viele bunte Drachen am grauen Herbsthimmel bestaunen können. Ich bin so dankbar in meiner Trauer.

Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich gar nichts geändert – und doch alles. (Kurt Tucholsky – die fünfte Jahreszeit)

Herzlichst eure Steph ❤

4 Kommentare zu „Herbst/Abschiede

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