Freizeitpark reloaded Teil 1

Oh je ob ich jemals wieder den Hansapark betreten darf?

Nach mittlerweile fast vierzig Besuchen in meinem Leben frage ich mich, ob die Mitarbeiter*innen an der Kasse nicht irgendwo in ihrem Kassenhäusschen ein Foto von mir mit dem Zusatz +++Achtung, diese Person nicht reinlassen+++ hängen haben. Zu oft habe ich mich unwissentlich peinlich benommen. Aber alles nach und nach.

Schon als Kind liebte ich es, in den Hansapark, der damals noch Hansaland hieß, zu fahren. Wie ein Eichhörchnchen nach zuviel Nüssen hüpfte ich im Auto auf dem Rücksitz auf und ab und hielt mich dabei an der Kopfstütze meiner fahrenden Mutter fest, die bei allem niemals irre wurde. Wenn wir dann auf der Landstraße schon von weitem die vielen Fahrgeschäfte sahen, war es um mich geschehen. Kreischalarm!

Meine Oma kam nie mit, packte uns alledings immer wichtige Dinge um die wir sie nie gebeten hatten mit ein. Kartoffelsalat, Frikadellen, eine Tüte Senf, Rote Beete, hartgekochte Eier, Wasserflaschen und eine Rolle Klopapier. Die Tatsache, dass sie jahrelang als Herbergsmutter einer Jugendherberge hunderte von Gästen verpflegte und ihnen Esspakete für Ausflüge bereitete, machte auch vor uns nicht halt. Ich fand das blöd, denn im Hansaland wollte ich das Gesamtpaket des Parks und das beinhaltete nunmal auch ungesundes Essen und Limo en masse. Außerdem hasste ich Rote Beete, da sie für mich schmeckte, als hätte ich die Kellertreppe abgeleckt.

Eines der Highlights für mich war es, mit der Wildwasserbahn zu fahren. Dabei von oben bis unten nass zu werden galt als Indiz dafür, dass man eine Heldin war. „Seht her, ich bin quitschelquotschelnass und fahre gleich noch eine Runde“ rief ich im vorbeigehen den wartenden zu und stellte mich sofort wieder in die lange Warteschlange des Fahrgeschäftes an.

In Bonanza City habe ich mit meinem Bruder Gold gewaschen und dafür eine Medallie bekommen. Wow, was wohl meine Kindergartenfreunde im entfernten Hessen dazu sagen würden? Im 3D Kino fiel meine Mutter mal vom Stuhl, weil sie so sehr in diesem Film, die eine Achterbahnfahrt und andere Dinge auf die Leinwand projezierten „eingetaucht“ war. Sie tat sich nicht weh und die Strafe des auslachens folgte auf dem Fuße, als wir ebenfalls von den Stühlen fielen. Wir lachten alle bis uns die Bäuche weh taten und rannten von einem Ereignis zum nächsten. Mit Ehrfurcht begaben wir uns in eine dunkle Bärenhöhle und als wir wieder das Tageslicht sahen, bekamen wir erst einmal eine „gescheuert“. Natürlich nicht von meiner Mutter, die Gewalt von jeh her ablehnt. Es war ein alter Mann in einem Tippi der uns, nach unserem Gang durch die Bärenhöhle eine Backpfeife gab, einmal „Hugh“ sagte und uns ein Stirnband mit einer schwarzen Feder zur Krönung unserer Höhlendurchquerung aufsetzte. Ob meine Mutter das so witzig fand, weiß ich nicht aber wir waren stolz wie Bolle dieses rotgelbe Stirnband mit der Feder auf dem Haupt durch den ganzen Park zu tragen.

Wenn wir abends erschöpft wieder auf den Parkplatz kamen und unser Auto suchten, prangte dort ein großer Aufkleber des >Hansaland> auf der Heckscheibe unseres und hundert anderen Autos. Ich weiß noch, dass ich darüber sooo sauer war. Aber aus anderen Gründen wie meine Mutter. Denn wie viele Kinder der 80er Jahre liebte ich Aufkleber über alles. Die Botschaften darauf war meist egal. „Die Milch machts“ „Hallo Partner Dankeschön“ und „Ein Herz für Kinder“ hatte ich schon erfolgreich und heimlich an mein Bett gepflastert, ein Hansalandaufkleber der nun fest wie mit Pattex auf dem Auto meiner Eltern prangte, brachte mir hingegen gar nichts. So ein Ärger!

Ich wurde älter und – komischerweise – ängstlicher. Mit Ralf saß ich vor ca 15 Jahren das erste mal zusammen in der Wildwasserbahn und konnte nicht verstehen, wie ich darin als Kind nie Angst hatte. Das war doch alles heftig. Allein dass es diese Wildwasserbahn noch in der gleichen Ausführung wie schon zu meiner Kindheit gab, bereitete mir Sorgen. Wir werden schließlich alle mal älter, oder? Ich selbst hatte inzwischen schon zwei Operationen hinter mir, ständige Rückenschmerzen wegen meiner schiefen Wirbelsäule und eine Brille benötigte ich inzwischen auch. Aber diese Boote, diese Bahn war immer noch die gleiche wie damals. Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Mit diesen Gedanken stellte ich mich mit Ralf an der Warteschlange der Wildwasserbahn an.

Ein 1,20 langes Boot, welches einem ausgehöltem Baumstamm nach empfunden ist, hielt vor uns an.

Der Mitarbeiter, den ich in Gedanken den grummeligen Johann nannte , nahm einen Abzieher und fuhr damit über die lange Sitzbank des

Baumstammes um das überschüssige Wasser welches die Fahrgäste vor uns erwischt hatte, wegzuwischen. Dann macht er, ohne etwas zu sagen eine Handbewegung die bedeutet, dass wir jetzt einsteigen sollen. Und so wie er drein schaute, taten wir das lieber mal ganz schnell. Nicht, dass es hier noch Backpfeifen hagelte 😉 Unabgesprochen saß ich vorne und Ralf hinter mir. Wir hatten das auch schon mal andersherum, aber das hat mir gar nicht gefallen. Wie ein sehr enger Rucksack hing ich da an ihm und faltete meine Hände ganz fest vor seinem Bauch, den Kopf in seinem Rücken verneigt. „Oh schau mal, der Mann hat einen ALF Rucksack“ rief da ein Kind und die Mutter wisperte:“ Pssst, nein, das ist eine Frau mit roten Haaren die sich an dem Mann festhält“.

In dem Baumstamm sitzend fing alles erst mal ganz harmlos an. Wir schippernden in einem Kanal vor uns hin. Links von uns eine Biberfigur der uns zulächelte, rechts von uns ein grasendes Reh. Idylle pur. Der Einbaum schipperte langsam dem Tunnel entgegen. Was wäre wohl in diesem Tunnel? Fünf Sekunden nachdem ich mir diese Frage stellte, glitten wir in Dunkelheit eine Rutsche hinunter. Gut für Ralf, denn das ganze überraschte mich so schnell, dass ich ihm vorher nicht groß auf die Nerven gehen konnte. Nach der kleinen Abfahrt beruhigte ich mich ein bisschen, denn ich fand das tatsächlich echt lustig. Wieder schipperte unser Baumboot ein bisschen im Kanal herum. Doch bei zu viel Ruhe springt sofort mein Gehirn wieder an und rattert. „Wann wurde das Fahrgeschäft zuletzt vom TÜV überprüft?“ „Sind DAS tatsächlich die ollen Plastikbaumstämme wie vor dreißig Jahren“? „Ist da überhaupt genügend Wasser auf der Bahn? Nicht das wir aufgrund von Wassermangel einen Unfall haben!“. Als Kind ist mir das nämlich mal bei der Wasserrutsche im Freibad passiert. Metallrutsche mit Wasser… als ich drauf saß, kam da kein Wasser mehr. Mit einem großen Quietschkonzert und verbrannten Poppes erwarteten viele meiner Freunde und zwanzig Zaungäste wie ich in Slowmotion die Rutsche herabkrabbelte.

Während ich dachte mein Hirn würde so laut rattern, kam ich nicht darauf, dass die Geräusche von dem Gummiband kamen auf das unser Einmanneinefrauboot nun gezogen wurde. Wuuuuuuaaaa.

Rattterratterratterratterratterquietschratterratterratterratterquietsch machte es. Unser Boot befand sich nun nicht mehr in einem Kanal sondern wurde auf eine Art Förderband umgeleitet. Ab nun ging es bergauf. Oder bergab? Die Welt stand plötzlich schief und ich sah nur den Himmel über uns. Ratterratterratterquietschratterratterratterquietsch… Ich weiß nicht, wann ich mal so lange den Mund gehalten habe. Alles an mir war verkrampft, ich atmete in Ralfs Rücken bis dieser (schon vor der Abfahrt)ganz nass war und wünschte mir so sehr, dass man hier oben noch die Chance zum aussteigen hatte. Vielleicht gab es diese Möglichkeit ja auch? Ich öffnete vorsichtig die Augen und was ich dann sah, raubte mir schlichtweg den Atem. Wir waren oben angekommen. Das Baumboot ruckelte leicht, ging von Schief- nun in waagerechte Lage und lies den Blick nach unten frei.

Das fiese war, dass es kurz dort oben verharrte. Ich holte ganz tief Luft und dann ging es los. Der ausgehöhlte Plastikbaumstamm raste mit uns die Wasserrutsche hinunter und ich schrie und schrie und schrie. Die Zuschauer hielten sich die Ohren zu und ich glaube, dass auch die mechanisch trommelnden Bären am Eingang zur Wildwasserbahn kurzzeitig aufhörten Musik zu spielen. Boah war das heftig! Als wäre nichts gewesen, schaukelte uns das Boot noch durch ein paar Kurven bevor es wieder bei dem grummeligen Johann landete. Auf den Fotos die vom Fahrgeschäft von jeder Abfahrt gefertigt werden, erkannte man nur Ralf. Es sah aus als hätte er sein kleines Kätzchen mit an Bord genommen, oder aber einen Alf Rucksack auf dem Rücken. Die Frage nach dem „Nochmal?“ musste Ralf mir nicht stellen, ich wollte schnell etwas beruhigerendes unternehmen.

Da kam mir die Fahrt mit dem kleinen Blütentraumbötchen gerade recht. Auf dieser Fahrt sah ich kleine Zwerge die in einem Fliegenpilzkarussell saßen und so breit grinsten, als hätten sie illegale Drogen zu sich genommen. Oder war ich noch high von der Wildwasserbahnfahrt? Als ich wieder ein wenig bei Kräften war, betraten wir die Bärenhöhle. Stockfinster war es dort. Von weitem hörte man irgendwelche künstlichen Tiergeräusche tief darin. Als Kind fand ich das so aufregend und nun ging ich in Gänsefüßchenschritten so langsam dort hinein, dass sich hinter mir schon ein Stau bildete. Ich erwartete schon, dass ein Mitarbeiter sich per Mikrofon in die Höhle schalten und mich zum schnelleren gehen auffordern würde. Tat zum Glück keiner. Dazu muss man wissen, dass ich mich im Erwachsenenalter zu einer sehr schreckhafte Person entwickelt habe. Ich habe mich beim staubsaugen zu Hause mal so derart erschreckt, dass mir das Saugteil mit voller Wucht auf den Fuß gefallen ist und das nur, weil ich mich beim Staub saugen plötzlich selbst im Flurspiegel entdeckt habe. Ich hatte in der Bärenhöhle demzufolge keine Angst, wollte aber gerne wissen was mich wann erschrecken sollte. Wie gut, dass Ralf vor mir her ging. Ich hielt mich an seinem Rucksack fest und trippelte ihm hinterher. Wenn es mir zu schnell ging, zog ich leicht an seinem Gepäck auf dem Rücken. Ja, so würde es gehen. Ein Bär links von uns, ein paar Fledermäuse und andere Tiere rechts von uns und schon sahen wir das Licht am Ende der Höhle. Erleichtert klopfte ich Ralf auf die Schulter, worauf dieser sich rumdrehte und….. gar nicht Ralf war! Kreischalarm……..mal wieder… Der Mann, der nicht Ralf war, drehte sich um und lächelte mir nett zu, während Ralf im schönsten Tageslicht auf mich wartete. „Ich dachte…weil….du…der Rucksack…“ stotterte ich fassungslos und peinlichst beschämt. „Aber DU hast doch den Rucksack auf“ antwortete Ralf und lachte laut, als ich ihm davon berichtete, in der dunklen Höhle einem anderen Mann meine Langsamkeit aufgedrückt und mich an ihm festgehalten habe. Nach so viel Aufregung müsste mal wieder was beruhigendes her.

Nach einer Runde <Gold schürfen> plus Medallie bekommen ging es wieder ein bisschen, sodass ich bereit für eine neue Herausforderung war. Um es abzkürzen: ich fuhr an diesem Tag noch mit der Barracuda Slide, dem Rio Dorado, dem rasenden Roland und wäre auch gerne die Leuchtturmrutsche hinunter gesegelt, wenn ich nicht Sorge getragen hätte, darin stecken zu bleiben. Ich freute mich, dass es auf den Toiletten genug Klopapier gab, nagte Fleisch von einem Holzspieß ab statt Rote Beete aus Tupperdosen zu essen und schlief im Auto auf der halbstündigen Heimfahrt selig ein. Nachts träumte ich von Zwergen die ihren Fliegenpilz verlassen hatten und mich mit Staubsaugerrohren ein Förderband hinaufziehen wollten. Einer hatte einen Goldzahn im Mund und meine Goldschürfmedallie um den Hals hängen. Ich rettete mich, indem ich im rasenden Roland durch die Bärenhöhle davon fuhr. Ohne mich irgendwo festzuhalten, ohne zu schreien und mit Indianderfeder auf dem Kopf. Was war ich doch für eine Heldin!

Herzliche Grüße

Steph ❤

9 Kommentare zu „Freizeitpark reloaded Teil 1

  1. Ich muss gerade voll lachen: Jonas fährt morgen mit seiner DRK-Truppe Richtung Ostsee und verbringt den Samstag – im HANSAPARK 😂.
    Ich selbst war schon lange nicht mehr im Freizeitpark, eben weil ich so viele Fahrgeschäfte wegen meiner Höhenangst gar nicht nutze, nur diese aber eigentlich den Eintrittspreis rechtfertigen . . .
    Und ich frage mich ( ebenso wie du, liebe Stephanie ) warum mir das als Kind alles so gar nix ausgemacht hat 🤔.

    Egal, ich bin sicher, Jonas wird viel Spaß haben und ich freue mich schon auf seinen Bericht am Sonntag abend!
    Sei ganz herzlich gegrüßt und lieben Dank für diese wunderbare Geschichte 😘

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  2. Herrlich Steph! Nach einem Tag todlanweiligem Zahlen wälzens habe ich mich über deine Geschichte köstlich amüsiert. Danke dafür!

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    1. Du hast Zahlen gewälzt? Du arme 😰 Ich hab’s ja so gar nicht mit Zahlen und Mathematik. Huch, ob ich da nicht mal drüber schreiben sollte um meine Bewunderung über Zahlenkünstler*innen zum Ausdruck zu bringen? 😄👍😘

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  3. Alfrucksack – ich kann nicht mehr – herrlich. Danke. Ich hab als Kind schon schiss vor den ganzen Bahnen gehabt, bin aber trotzdem eingestiegen, und heiser wieder raus. Meine Eltern oder später mein Mann, taub.
    Heute würde ich das echt nicht mehr machen.

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